Nachbericht: 51. Martinstift-Symposion – Expedition KI
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Die etablierte Fachtagung, die erstmals in der Tabakfabrik Linz stattfand, brachte Expert:innen aus Technik, Wissenschaft, Praxis und Selbstvertretung zusammen und eröffnete neue Perspektiven auf Chancen, Herausforderungen und gesellschaftliche Auswirkungen digitaler Technologien.
Inklusive Moderation als starkes Signal
Ein starkes Zeichen setzte bereits die Moderation: Martina Ranner (LIFEtool) führte gemeinsam mit Mathias Fröschl durch das Programm. Fröschl, der keine Lautsprache nutzt, kommunizierte über einen Sprachcomputer und zeigte damit eindrucksvoll, wie unterstützende Technologien Kommunikation ermöglichen können.
Mitgestaltung statt Mitbetroffenheit. Perspektiven von Mina Saidze
In ihrem Keynote-Vortrag betonte Tech-Managerin und Diversitätsexpertin Mina Saidze, dass Menschen mit Behinderungen nicht nur als Nutzer:innen, sondern als aktive Mitgestalter:innen digitaler Systeme eingebunden werden müssen. Ihre Perspektiven sollten bereits in der Konzeptionsphase von KI-Projekten berücksichtigt werden.
Sie warnte davor, dass KI-Systeme diskriminierende Entscheidungen treffen können, wenn sie auf Datensätzen trainiert werden, in denen Menschen mit Behinderungen nicht oder nur unzureichend vertreten sind. Verzerrungen und Diskriminierungen könnten sich dadurch unbemerkt verstärken.
Saidze forderte inklusive Datenaufbereitung, algorithmische Kontrollmechanismen, klare Diskriminierungsverbote und Beteiligungsgremien
Technologiepolitik darf nicht nur technologisch gedacht werden, sie muss auch soziale Fragen und Rechte mitregeln.
Folgende praktische Anwendungen wurden im Rahmen des Symposions eindrucksvoll präsentiert:
- Inklusive Datenannotation – neue Chancen am Arbeitsmarkt
Wie sich Teilhabe praktisch gestalten lässt, zeigte ein Pilotprojekt, das von Martin Hartl (Inclusive Annotation Management), Markus Wurm (Kapsch TrafficCom) und Alexandra Brandstätter (Diakoniewerk) vorgestellt wurde. Menschen mit Behinderungen wirken dabei als Datenannotator:innen mit und leisten einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung von KI, in dem sie KI-Systeme mit strukturierten Informationen versorgen. Gerade Menschen im Autismus-Spektrum bringen hier wertvolle Fähigkeiten wie Detailgenauigkeit, Genauigkeit und Ausdauer ein.Um nachhaltige Beschäftigung zu sichern, wurde ein Start-up gegründet, das inklusive Datenannotation als Dienstleistung anbietet.
- KI als Unterstützung im Alltag – mehr Zeit für Begleitung
Wie KI den Alltag in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen erleichtern kann, zeigten Gabriele Böttcher und Jannik Schröder – Mitarbeiter:innen des Diakoniewerks - anhand der Anwendung „Voize“. Die KI-gestützte Spracherkennungssoftware vereinfacht Pflegedokumentation, überwindet Sprachbarrieren und stellt Informationen schneller zur Verfügung. Besonders wertvoll war dabei die Perspektive von Lisa Burger, einer Klientin des Diakoniewerks, die aus ihrer eigenen Erfahrung berichtete, wie digitale Unterstützung mehr Zeit für persönliche Begleitung ermöglicht.
- Barrierefreie Informationen durch KI – Texte in Leichter Sprache
Michael Hannl (Diakoniewerk, Kunstwerkstatt/Medien) zeigte, wie KI-gestützte Tools Texte automatisch in Leichter Sprache generieren können, um Informationen für alle zugänglich zu machen. Dabei verwies er auf Standards wie die DIN SPEC 33429 sowie das Konzept „ELI5 – Explain Like I’m 5“. Ein praxisnahes Beispiel ist die Zeitung „Ich und wir“, deren Inhalte zunehmend mit Unterstützung von KI-Tools gestaltet werden.
- Digitale Assistenz im Alltag.Unterstützung per Video
Gregory Popov präsentierte ein Projekt von alsterdorf assistenz ost, das eine datenschutzsichere App nutzt, um Menschen mit Behinderungen per Videoassistenz zu unterstützen.
Die App hilft bei organisatorischen Fragen ebenso wie bei emotionaler Begleitung und zeigt, wie digitale Lösungen Selbstständigkeit und Teilhabe stärken können.
- Navel – ein sozialer Roboter mit Empathie
Ein besonderer Höhepunkt war die Präsentation von Navel, einem sozialen Roboter, den Sophia Warneke vorstellte. Navel erkennt Gesichter, Stimmen und Bewegungen, reagiert darauf und kann Gespräche führen oder sogar Witze erzählen. Er soll menschliche Begleitung nicht ersetzen, sondern sie als Kommunikationspartner und Impulsgeber ergänzen. In Betreuungseinrichtungen sorgt Navel bereits für Aktivierung, weckt positive Emotionen und kann Menschen zum Lächeln bringen. In den Pausen war Navel ein echter Publikumsmagnet: Zahlreiche Teilnehmer:innen suchten das Gespräch mit dem Roboter, wollten ihn aus nächster Nähe erleben und nutzten die Gelegenheit gleich für ein gemeinsames Selfie.
Blick in die Zukunft. Visionen aus dem Nutzer:innenbeirat
Mitglieder des Nutzer:innenbeirats des Diakoniewerks nahmen das Publikum auf eine gedankliche Reise mit. Sie stellten sich eine Welt vor, in der KI sie im Alltag unterstützt - etwa beim Kochen, Putzen oder Einkaufen oder sie bei Freizeitaktivitäten begleitet und für Spaß sorgt. Diese Zukunftsvisionen zeigen: KI kann nicht nur ein Werkzeug sein, sondern eine Quelle von Möglichkeiten, Selbstständigkeit und Lebensqualität.
Chancen und Herausforderungen von KI. Impulse von Sabine T. Köszegi
Sabine T. Köszegi beleuchtete die Potenziale und Risiken von KI. Sie betonte, dass KI Prozesse effizienter machen, monotone Aufgaben übernehmen und neue gesellschaftliche Chancen eröffnen könne. Gleichzeitig warnte sie vor Verzerrungen, Diskriminierungen und dem Verlust menschlicher Kompetenzen. Transparenz, ethische Leitplanken und Bildung seien entscheidend, damit KI nicht gestaltet, sondern von uns gestaltet wird.
Diskussion zu den Grenzen der Digitalisierung.
Zum Abschluss moderierte Karin Schaubmaier, Diakoniewerk Unternehmenskultur, eine Diskussion über die Grenzen der Digitalisierung. Dabei wurde deutlich, dass Technologie nur dann ihr Potenzial entfaltet, wenn sie mit gesellschaftlicher Verantwortung, ethischer Reflexion und einer klaren Vorstellung davon verbunden wird, wie wir in Zukunft zusammenleben wollen.
Das 51. Martinstift-Symposion hat eindrucksvoll gezeigt: KI kann eine treibende Kraft für mehr Teilhabe, Selbstbestimmung und Inklusion sein - vorausgesetzt, sie wird von Anfang an inklusiv, verantwortungsvoll und menschenzentriert gestaltet.
Fotocredit: Mathias Lauringer
Gruppenfoto: v.l.n.r.: Sven Lesemann (Diakoniewerk), Daniela Palk (Diakoniewerk), Edgar Hagmüller (Diakonie Zentrum Spattstraße), LR Christian Dörfel, Maria Katharina Moser (Diakonie Österreich), Thomas Fux (Diakonie Österreich), Robert Schütz (Diakoniewerk)
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