Diakonie für effektive Armutsbekämpfung: Sozialhilfe jetzt sanieren und reformieren!

  • Pressemitteilung
19. Dezember 2019
Nach VfGH Urteil weist Diakonie auf weitere Probleme und offene Fragen hin: Kürzungen bei Menschen mit Behinderung, mangelnde Absicherung beim Wohnen, mangelnde Soforthilfe, Ungleichbehandlung bei subsidiär Schutzberechtigten

Nach VfGH Urteil weist Diakonie auf weitere Probleme und offene Fragen hin: Kürzungen bei Menschen mit Behinderung, mangelnde Absicherung beim Wohnen, mangelnde Soforthilfe, Ungleichbehandlung bei subsidiär Schutzberechtigten"Eine Sanierung der Sozialhilfe insgesamt ist dringend notwendig, wenn wir die vielen Probleme und offenen Fragen betrachten, die sich weiter stellen", sagt Diakonie Direktorin Maria Katharina Moser.



„Es drohen weiter Kürzungen bei Menschen mit Behinderung, mangelnde Absicherung beim Wohnen, mangelnde Soforthilfe, Ungleichbehandlung bei subsidiär Schutzberechtigten", so Moser. „Ohne eine Sanierung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes werden wir sonst neun unterschiedlichste Bestimmungen bekommen, die Hilfesuchende je nach Wohnort ganz unterschiedlich behandeln. Von einer österreichweiten Regelung sind wir so weit weg, wie noch nie", betont Moser.



„Ein gutes unterstes Netz im Sozialstaat aber hilft uns allen, in einem sozialen und sicheren Land zu leben. Es sollte ein Mindestmaß an Selbstbestimmung sichern und helfen, Not abzuwenden – nicht das Leben noch schwerer machen", so die Diakonie Direktorin.



Kürzungen: Menschen mit Behinderungen



Kinder mit Behinderung über 18 Jahre: weiter zu starken Kürzungen führt, wenn beispielsweise die erwachsene Tochter mit Behinderung in Haushaltsgemeinschaft mit ihrer Mutter lebt. Für die Inklusion ist es notwendig, dass auch Kinder mit Behinderung „erwachsen werden dürfen" und eigenständig leben können. Die Kürzungen fressen in all diesen Fällen den sogenannten "Behindertenbonus" auf.



Wohngemeinschaften: Kürzungen treffen auch BewohnerInnen von Notwohnungen und betreuten Wohngemeinschaften. Dabei geht es auch um die Finanzierbarkeit der zugekauften Betreuungsdienste, die die BewohnerInnen aufgrund ihrer Beeinträchtigungen benötigen. Therapeutische WGs mit 6 oder mehr BewohnerInnen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel.



Menschen mit psychischen Erkrankungen: Die neuen Zusatzleistungen für Menschen mit Behinderungen und die Gewährung eines Rechtsanspruches darauf sind grundsätzlich sehr zu begrüßen. Dennoch sind im Gesetzestext Hürden enthalten, die den Zugang zu den Leistungen erschweren. eistungen können nur dann gewährt werden, wenn eine Behinderung über 50% vorliegt und ein Behindertenpass ausgestellt wurde. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass aufgrund der Gestaltung der Einstufungsverordnung gerade Menschen mit psychischer Erkrankung diesen Behinderungsgrad oft nicht erreichen, obwohl sie vielleicht aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sind, über einen längeren Zeitraum einen Beruf auszuüben.



Die Zusatzleistungen für Menschen mit Behinderungen sollen nicht allein vom Grad der Behinderung abhängig gemacht werden, sondern es sollen auch Umstände wie längere Arbeitsunfähigkeit aufgrund einer Erkrankung miteinbezogen werden. Um unbürokratisch schneller höhte Hilfe aufgrund von Behinderung zu leisten, soll die Zusatzleistung bereits bei Vorliegen entsprechender medizinischer Befunde auch ohne Behindertenpass gewährt werden.



„Kann"-Bestimmungen bei Wohnungssicherung



Im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz ist die Möglichkeit vorgesehen, den Höchstbetrag der Leistung zu überschreiten, sofern Leistungen für den Wohnbedarfs als Sachleistung gewährt werden. Auch diese Möglichkeit ist im Bundesgesetz lediglich als „Kann"-Bestimmung formuliert und sollte als Rechtsanspruch umgesetzt werden. Niederösterreich und Oberösterreich haben von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch gemacht, was noch zu großen Problemen für einkommensschwache Familien führen wird.



Mangelnde Soforthilfe, lange Entscheidungsfristen



In der 15a-Vereinbarung zur Mindestsicherung waren noch einige wesentliche Standards vorgesehen, die zum Ziel hatten, rasche Entscheidungen, hohe Rechtssicherheit und effektiven Rechtsschutz zu ermöglichen. Vorgesehen waren u.a. eine verkürzte Entscheidungsfrist von drei Monaten (anstelle der allgemeinen Sechsmonatsfrist), sowie Informations- und Anleitungspflichten, die Möglichkeit der Soforthilfe, die verpflichtende Schriftform der Entscheidung und eine großzügige Definition der zur Antragstellung berechtigten bzw. zur Vertretung befugten Personen. Diese Regelungen erwiesen sich in der Praxis als äußerst sinnvoll, finden sich aber nicht mehr im neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz.



Ungleichbehandlung bei subsidiär Schutzberechtigten nicht gerechtfertigt



Subsidiär Schutzberechtigte können nicht zurück in ihr Herkunftsland, weil sie an Leib und Leben bedroht sind. Sie und ihre Kinder brauchen aber - wie alle anderen - Existenzsicherung. Wenn geflüchtete Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihre Wohnungen halten können oder ihre Familien ernähren sollen, kann auch Integration nicht gelingen.



„Die aktuell bestehende Ungleichbehandlung muss auch in diesem Fall aufgehoben werden", fordert Moser, „denn subsidiär Schutzberechtigte genießen so wie alle anderen (anerkannten) Flüchtlinge Schutz in Österreich". Außerdem haben sie die gleichen Bedürfnisse und die gleichen Aufwendungen um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. „Es ist unverständlich, wie sie nur mit der Hälfte der Unterstützungsleistungen auskommen sollen", so die Diakonie Direktorin abschließend.