Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Inklusion in der Arbeitswelt

  • Pressemitteilung
31. Juli 2018
Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Behindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer und Vertretern der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) werden drängende Probleme im Bereich des Arbeitsmarktes, aber auch dauerhafte Verstöße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention in Werkstätten für Menschen mit erheblichen Behinderungen aufgezeigt und Lösungen gefordert.

Bei der gemeinsamen Pressekonferenz von Behindertenanwalt Dr. Hansjörg Hofer und Vertretern der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) werden drängende Probleme im Bereich des Arbeitsmarktes, aber auch dauerhafte Verstöße gegen die UN-Behindertenrechtskonvention in Werkstätten für Menschen mit erheblichen Behinderungen aufgezeigt und Lösungen gefordert. 1. Technische Hilfsmittel, assistierende Technologien sind Schlüssel zur Arbeitswelt



Lukas B. hat seit acht Jahren eine 20-Wochenstunden-Anstellung in einem Büro. Diese Form der regulären Beschäftigung wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen. Wie das geht? Mit Hilfe assistierender Technologien – in seinem Fall einer sogenannten Augensteuerung – kann Lukas B. mit den Augen die einzelnen Buchstaben auf der Tastatur fixieren, und „schreibt" damit mit seinen Augen so schnell, wie andere Menschen mit den Fingern auf der Tastatur.



Lukas´ Geschichte zeigt, welche Möglichkeiten Technologien erschließen könnten. Solche Technologien sind z.B. sprechende Tasten, Pupillensteuerungen, Sprachausgabegeräte, schrift-sprachbasierte Kommunikationshilfen.



Lukas B. ist Mitte Zwanzig und arbeitet in einem Krankenhaus im Bereich der ambulanten Patientenadministration. Mit einer herkömmlichen Computermaus kann Lukas seinen Computer nicht bedienen, weil seine Feinmotorik nicht ausreicht.



Lukas ist für uns einer der vielen Betroffenen, die zeigen, welche – vormals ungeahnten – Möglichkeiten Technologie im Alltag für Menschen mit Behinderungen bietet. 63.000 Menschen in Österreich leben mit Einschränkungen in der Lautsprache. Sie sind aber nicht „sprachlos", eher sprachlos gemacht.



Finanzierung für Betroffene nicht gesichert



Hier sind neben der Kranken- und Unfallversicherung, auch die Pensionsversicherung, die Sozialabteilungen der Bundesländer, sowie das Bundessozialamt zuständig.

Romana, Mutter eines Mädchens mit Behinderungen, erzählt: „Bei Anträgen muss immer genau angegeben werden, welche Stelle wie viel zahlt. In der Praxis ist es dann häufig so, dass eine Stelle erst ihre Zusage gibt, wenn die andere Stelle entschieden hat. Es verstreichen oft kostbare Wochen bis eine Entscheidung gefällt ist." Ist die Förderhöhe erst einmal geklärt, haben die Betroffenen eine weitere Hürde zu nehmen: in vielen Fällen muss das Hilfsmittel von den Betroffenen vorfinanziert werden, denn die Stelle überweist erst, wenn die bezahlte Rechnung eingereicht wird. Bei Kommunikations-Hilfsmitteln wie einer Augensteuerung ist das für Familien, die ohnedies durch die Beeinträchtigung ihres Familienmitgliedes noch andere Ausgaben zu tragen haben, oft schier unmöglich.



Behördendschungel



Die tatsächlichen Wege, zu einer Finanzierung zu kommen, sind jedoch meist sehr kompliziert, aufgesplittert und bürokratisch – denn ein Rechtsanspruch auf Finanzierung fehlt. Die Betroffenen müssen sich zudem an einem Hilfsmittelkatalog orientieren, der aus dem Jahre 1994 stammt. Und was bei genauem Hinsehen nicht verwunderlich ist: Der Hilfsmittelkatalog aus dem Jahr 1994 kennt keine modernen Hilfsmittel.



„Wenn wir Hilfsmittel für unsere Tochter beantragen und uns für unsere Tochter einsetzen, gibt man uns immer wieder das Gefühl, als ob wir etwas wollen, was wir gar nicht brauchen", Als betroffene Mutter fügt Romana hinzu: „Die Beantragung ist wie ein undurchdringlicher Dschungel und man hat viele Fragen zu klären, bevor man am Ziel ist: Welches Formular für welches Hilfsmittle genau? Und bei welcher Stelle reiche ich ein? In welcher Abteilung? Bei welchem Sachbearbeiter? Und ist jetzt überhaupt der richtige Förderzeitpunkt? Man wird aufgefordert bei mehreren Stellen einzureichen – aber in welcher Reihenfolge?"



Was ist zu tun, um mit assistierender Technologien Chancen in der Arbeitswelt zu erhöhen:





Rechtsanspruch auf assistierende Technologien und kommunikative Hilfsmittel - insbesondere auch für Hilfsmittel der sozialen Rehabilitation. Die „UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung" geht in mehreren Artikeln auf die Verpflichtung der Staaten zur Förderung von Kommunikationstechnologien ein.

Errichtung einer zentralen Anlaufstelle für Menschen, die Hilfsmittel benötigen. Vernetzung der Kostenträger im Hintergrund. Betroffene haben viele Puzzlesteine in der Hand, daraus muss aber ein ganzes Bild entstehen.

Anpassung des Hilfsmittelkataloges an den neuesten Stand der Technik, auch unter Einbeziehung von Behindertenorganisationen.





 



 

2. Mindestsicherung: Existenzangst & Wohnungsnot hindern bei Ausbildung, beim Lernen, bei der Inklusion in die Arbeitswelt.



Eine aktuelle Studie der Statistik Austria (2018) gibt uns ein realistisches Bild über Lebensbedingungen von Mindestsicherungs-BezieherInnen: Was auffällt: Sehr hohe Raten bei gesundheitlichen Einschränkungen, chronischer Krankheit und Behinderung.



25% sind stark beeinträchtig durch Behinderung. Das ist viermal so hoch wie in der restlichen Bevölkerung.



Was in der Diskussion oft untergeht: In den meisten Bundesländern kommt der Mindestsicherung auch die Rolle zu, ein finanzielles Existenzminimum für Menschen mit so genannter erheblicher Behinderung, wenn sie in Privathaushalten leben, sicherzustellen. Auf deren besondere Bedürfnisse – wie z.B. ein gegenüber anderen Personen erhöhter Regelbedarf – hat die Mindestsicherung derzeit keine Antwort. Menschen mit Beeinträchtigungen haben höhere Lebenshaltungskosten, erhalten aber im Rahmen der BMS in der Regel keine zusätzlichen Hilfestellungen. Für die benötigte Unterstützung bei der Besorgung von Einkäufen, der Reinigung der Wohnung, der persönlichen Unterstützung bei Körperpflege und Ernährung etc. werden Soziale Dienste benötigt, ebenso für die persönliche Begleitung und Unterstützung. Darüberhinausgehende Hilfeleistungen können nicht zugekauft werden: beispielsweise für kleine Reparaturarbeiten im Haushalt, laufende Instandsetzungen in der Wohnung – Alltagserledigungen, für die ein Mensch mit Beeinträchtigungen vielfach externe Unterstützung benötigt.



Angst um Existenz zu haben, Angst zu haben die Wohnung zu verlieren, lähmt die Arbeitsmarktintegration, hindert bei Ausbildung, beim Lernen, beim Vorstellen, bei der Inklusion in die Arbeitswelt.



Oft müssen Therapien oder Behandlungen selbst vorfinanziert werden, was für einkommensschwache Personen in vielen Fällen nicht möglich ist. Diese finanzielle Barriere führt dazu, dass sie auf wichtige Behandlungen verzichten müssen, oder ihre prekäre Lage durch diese zusätzlichen Ausgaben noch weiter verschärft wird.



 



 



 

3.  Wer früh hilft, hilft doppelt,  später in der Arbeitswelt Fuß zu fassen



Schon früh mit Augensteuerung vertraut machen. Schon früh mit therapeutischem Support beginnen. All das hilft doppelt, später dann in der Arbeitswelt Fuß zu fassen.

Dabei geht es um technische Hilfen, Physio- und Ergotherapie, der Ausbau der frühen Hilfen für Eltern und Baby, u.a. 70.000 Kinder in Österreich erhalten nicht die für sie notwendigen Therapien. Es gibt zu wenig kostenfreie Plätze oder elendslange Wartezeiten.



 



 

Zusammengefasst: Wer von Inklusion in die Arbeitswelt spricht, darf zu assistierenden Technologien, zu Existenzsicherung und zum Ausbau früher Hilfen nicht schweigen.