Neiddebatten rund um Sozialhilfe und Mindestsicherung
- Analyse
Ich habe eine Frage an jene, die jetzt subsidiär Schutzberechtigten die Mindestsicherung neiden: Was verbessert sich für Sie persönlich, wenn Kinder weniger essen, Wohnungen kalt bleiben oder Menschen, obwohl sie nicht in ihr Heimatland zurückkönnen, keine Unterstützung bekommen?
Antwort: Gar nichts. - Nicht ein einziger Euro landet dadurch mehr in Ihrer Geldbörse.
Aber das gesellschaftliche Klima wird kälter – und die Schwächsten zahlen den Preis.
Ein paar klare Fakten zu dieser aufgeblasenen Neiddebatte:
1. Subsidiärer Schutz bedeutet: akute Lebensgefahr
Subsidiärer Schutz bedeutet, dass das Leben und die Unversehrtheit eines Menschen geachtet und geschützt werden müssen. Er wird Menschen gewährt, denen in ihrem Herkunftsland eine ernsthafte Gefahr droht – das betrifft das Recht auf Leben und das Verbot von Folter sowie unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung. Menschen mit subsidiärem Schutz sind Teil des internationalen Schutzes im selben rechtlichen Sinn wie anerkannte Flüchtlinge; der Unterschied liegt allein im rechtlichen Grund, nicht im Wert ihres Lebens oder ihrer Würde.
2. Subsidiär Schutzberechtigte ≠ Asylwerber:innen
Bitte nicht verwechseln! Hier herrscht die größte Verwirrung:
➡️ Asylwerber:innen befinden sich im laufenden Verfahren.
Sie haben kein Einkommen, dürfen meist nicht arbeiten, leben in der Grundversorgung, bekommen dort 40 Euro Taschengeld im Monat, Verpflegung oder Lebensmittelgeld, und einen Schlafplatz. Mehr nicht.
➡️ Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte haben bereits ein behördlich geprüftes Recht auf Schutz.
Sie dürfen arbeiten, müssen AMS-Kurse besuchen, haben volle Mitwirkungspflichten und können – wie alle – Mindestsicherung erhalten, wenn das Einkommen nicht reicht.
Diese beiden Gruppen ständig in einen Topf zu werfen, ist falsch. Und leider bewusst Teil der Neiddebatte, die aktuell geführt wird.
3. Niemand bekommt „mehr als arbeitende Österreicher:innen“
Ein weit verbreiteter Mythos – und schlicht falsch.
Fakt:
💠 Die Mindestsicherung ist subsidiär → jedes Einkommen wird abgezogen.
💠 Auch subsidiär Schutzberechtigte müssen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – sonst wird gekürzt.
💠 Subsidiär Schutzberechtigte bekommen Familienbeihilfe nur, wenn sie arbeiten und keine Leistungen aus der Grundversorgung beziehen.
💠 Anerkannte Flüchtlinge sind sozialrechtlich Staatsbürger:innen gleichgestellt – aber nicht bevorzugt.
💠 Subsidiär Schutzberechtigte waren bislang in Wien und Tirol anerkannten Flüchtlingen in der Mindestsicherung gleichgestellt. Europarechtlich können ihre Sozialleistungen auf Kernleistungen beschränkt werden. Ich behaupte: Die Mindestsicherung ist bereits das Mindeste, also die Kernleistung.
4. Die Wahrheit über Mindestsicherung und „Working Poor“
Ja, es gibt Menschen, die arbeiten und trotzdem nicht genug bezahlt bekommen.
Und genau wie sie können auch Flüchtlinge eine Aufstockung bekommen, wenn das Einkommen nicht reicht.
Aber:
👉 Flüchtlinge können niemals mehr bekommen als Österreicher:innen.
👉 Alle bekommen nur das absolute Minimum, damit niemand obdachlos oder hungrig bleiben muss.
👉 Mindestsicherung ist kein „Bonus“, keine „Belohnung“, kein „Luxus“. Sie ist ein Rettungsnetz.
Wer Mindestsicherungsbezieher:innen etwas neidet, leidet nicht unter Ungerechtigkeit, sondern unter einer politisch geschürten Neid-Erzählung, die Menschen gegeneinander ausspielen soll.
5. Wen trifft die Streichung eigentlich?
Vor allem:
➡️ Kinder
➡️ Alleinerziehende
➡️ Besonders schutzbedürftige und verletzliche Menschen
Allesamt Menschen, die es schon jetzt besonders schwer haben.
Autor:innen
Mag. Christoph Riedl
Grundlagen & AdvocacySozialexperte Migration, Asyl, Integration, Menschenrechte