Menschen mit geistiger Behinderung entwickeln vergleichsweise früher eine Demenz, die deutlich anders verläuft als Altersdemenzen. Zudem unterscheidet sich die Ausgangslage und der Hintergrund der Personen deutlich von Menschen mit Altersdemenzen. Fronto-temporale Symptome, Apathie, zunehmend pflegerische und körpernahe Arbeitsaufträge stellen zentrale Herausforderungen dar, für deren Bewältigung die pädagogischen Konzepte der klassischen Behindertenarbeit nicht mehr ausreichen. Pflegerisches und gerontopsychiatrisches Wissen gilt es zu integrieren, um ein ‚aging in place‘ auch von Menschen mit geistiger Behinderung und Demenz zu ermöglichen.
Folgende Herausforderungen gilt es zu bedenken:
Das veränderte Verhalten verstehen: welche Rolle spielen die sich verändernden kognitiven Funktionen, insbesondere der Einbruch in den Exekutivfunktionen? Was sind mögliche Auslöser, Anlässe, Bedürfnisse? Ansätze bilden Ansätze der funktionalen Analyse.
Wie kann der Person ein Demenzverständnis nahegebracht, sie auf den dementiellen Prozess vorbereitet und bei dessen Gestaltung beteiligt werden?
Passt die Wohnumgebung oder bedarf es einer Anpassung in Bezug auf Lärm, Anzahl der Personen (crowding), Vereinfachung?
Einbrüche im Sprachverstehen erschweren das Zusammenleben mit den anderen Bewohnern: wie kann man hier helfen und die sozialen Konflikte entschärfen?
Eine Weiterbeschäftigung in den Werkstätten ist schwierig: wie kann eine eher wohnungsnahe Tagesstrukturieren aussehen, die zunehmend eng begleitet werden muss? Welche bewährten Konzepte aus der Altenhilfe können übernommen und angepasst werden? (Validation, Reminiszenz, Musik, sensorische Möglichkeiten, wettbewerbsfreie Spiele und Tätigkeiten)
Pflegerische Themen wie Körperpflege, Ernährung, Bewegung und Stürze werden wichtig, um die Selbstständigkeit möglichst lange zu erhalten.
Zusammenfassend sehen sich MitarbeiterInnen mit neuen Herausforderungen konfrontiert: es gilt, den Abbau von Fähigkeiten anzunehmen, mittels Vereinfachung stressreduzierend zu arbeiten, körpernahes Arbeiten zu integrieren. Verhaltensveränderungen und affektive Störungen belasten die Beziehungsarbeit und verschärfen Rollenkonflikte. Es gilt, eine Pädagogik des ‚Wohlfühlens‘ zu entwickeln zusammen mit einer positiven Würdigung von Regression und Passivität.
Zur Person:
seit 2003 fortlaufend : Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Freien Universität Witten/Herdecke, Institut für Pflegewissenschaften
• DCM Strategic Lead Germany, Basislehrgang Gerontopsychiatrie, Verantwortlich für das Modul 1 des Multiprofessionellen Masterstudiengangs Demenz
„Demenz als existenzielle Situation des Menschseins“
2003 -2018: Dialog- und Transferzentrum Demenz, hauptverantwortlich für den Forschungsnewsletter
2019-2022: Wiss. Mitarbeiter Hochschule Osnabrück Dialogzentrum Leben im Alter