Wie es für die Ukraine-Vertriebenen in Österreich jetzt weitergeht

  • Analyse
01. Dezember 2023
Dringend wäre jedenfalls: Arbeitsmarkt-Hürden abbauen und Zugang zu sozialen Rechten öffnen

Im kommenden Februar (2024) geht der Ukraine-Krieg in sein 3. Jahr. Rund 4,2 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine haben in europäischen Ländern Schutz nach der temporären Massenschutzrichtlinie der EU erhalten. In Österreich waren Ende September 2023 ca. 70.000 Ukrainer:innen polizeilich gemeldet.

Anders als in den meisten europäischen Ländern sitzen die Ukraine-Geflüchteten in Österreich jedoch in Quartieren der staatlichen Basisversorgung, genannt „Grundversorgung“, die eigentlich als Unterbringung während eines Asylverfahrens gedacht sind, fest.

Grundversorgungssystem als Arbeitsmarktbremse

Diese Form der Unterbringung, die nicht auf einen Daueraufenthalt ausgelegt ist, stellt eine enorme Integrationsbremse dar. Die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt sind inzwischen deutlich sichtbar: Nur 16.000 Ukraine-Vertriebene arbeiten über der Geringfügigkeitsgrenze. Nach wie vor besteht in dieser Unterbringungsform eine „Zuverdienstgrenze“, das heißt wer mehr verdient, verliert die Unterkunft, kann aber mit einem Teilzeitverdienst trotzdem nicht ohne staatliche Unterstützung auskommen. Eine solche Unterstützung zum Lebensunterhalt ist aber außerhalb des Grundversorgungssystems nicht vorgesehen.

Nicht einmal die Höhe des Betrages, der dazuverdient werden darf, ist klar. Er ist in den Bundesländern unterschiedlich und wird auch unterschiedlich berechnet. Eine zuverlässige Information wie die Berechnung erfolgt, wird den Betroffenen nicht angeboten. Aus Angst die Unterkunft zu verlieren und vom Einkommen dann trotzdem nicht leben zu können, nehmen sie keinen Job an und verharren sicherheitshalber in der „Inaktivitätsfalle“.

Beim Start helfen statt Strafen

Dieses Pferd ist verkehrt herum aufgezäumt. Menschen, die arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen wollen zu bestrafen, wenn sie über einen bestimmten Betrag überschreiten, ist der falsche Weg. Dabei gibt es einen tausendfach erprobten Weg, der es genau umgekehrt anlegt: Wenn so genannte „Working-Poor“, zwar arbeiten, aber nicht genug verdienen um ihren Alltag bestreiten können, gibt es „Aufstockungsbeträge“ in der Sozialhilfe. Das was für ein menschenwürdiges Leben fehlt, wird dazugezahlt.

Ukrainer:innen sind aber von der Sozialhilfe ausgeschlossen und die Bundesländer wollen sie auch nicht drinnen haben. Damit ist auch die Aufstockung nicht möglich.

Gleichbehandlung mit anerkannten Flüchtlingen wäre die Lösung

Einen pragmatischen Ansatz für einen langfristigen Aufenthaltstitel sehen die österreichischen Hilfsorganisationen in der Gleichstellung der Ukraine-Vertriebenen mit Asylberechtigten, also Menschen, die nach einem Asylverfahren eine positive Entscheidung in Händen halten, und damit in Bezug auf viele soziale Rechte und Pflichten österreichischen Staatsbürger:innen gleichgestellt sind.

Sowohl aus arbeitsmarktpolitischer als auch aus sozialer Perspektive hätte das Vorteile, und wäre ohne großen bürokratischen Aufwand rasch durchführbar. Besonders wichtig wäre dieser Wechsel für alte und kranke Menschen, aber auch für die vielen ukrainischen Frauen mit kleinen Kindern, die wegen ihrer Kinderbetreuungspflichten noch nicht voll in die Erwerbsarbeit einsteigen können.

Keine politische Lösung in Sicht

Spätestens bis zum Sommer 2023 wollte die Bundesregierung einen Vorschlag für ein Aufenthaltsrecht für jene Ukrainer:innen vorlegen, die aufgrund des anhaltenden Krieges weiterhin nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Dem Vernehmen nach will die Regierung dem Vorschlag der Hilfsorganisationen nicht nähertreten, weshalb es sich jetzt wieder an der Frage zum Zugang zur Sozialhilfe spießt.

Verlängerung der Temporary Protection Richtlinie

Dazu kommt, dass die EU-Kommission gerade eine Möglichkeit sucht, die Temporary Protection Richtlinie so zu interpretieren, dass eine Verlängerung der nationalen Verordnungen (in Ö: Vertriebenenverordnung) über die festgelegten 3 Jahre hinaus möglich wird. - Ob Österreichs Bundesregierung dann noch einen Grund sieht, den Vertriebenen den Wechsel in einen langfristigen Aufenthaltstitel zu ermöglichen, ist fraglich.

Es nicht zu tun wäre aber fatal. Denn anders als im Großteil der anderen EU-Staaten, die ihre Sozialhilfesysteme für die Ukrainier:innen geöffnet hätten, würde das für Österreichs Ukraine-Vertrieben bedeuten, dass sie weiterhin in der völlig unzulänglichen Grundversorgung gefangen blieben, und auch ihre dringend benötigte Arbeitskraft ungenützt bliebe.

Was bleibt: Zurück an den Start

Sollte es tatsächlich keinen Wechsel in ein eigenes Ukrainer:innen-Aufenthaltsrecht geben, lebt die Forderung, welche die Diakonie bereits im März 2022 erhoben hat wieder auf:

Der Zugang zu allen sozialen Rechten und zur Sozialhilfe muss ermöglicht werden, um die Menschen aus dem unzureichenden Grundversorgungssystem zu holen. Zumindest bevor der Krieg ins dritte Jahr geht.

 

 

Autor:innen

Mag. Christoph Riedl
Grundlagen & Advocacy
Sozialexperte Migration, Asyl, Integration, Menschenrechte