Diakonie de La Tour-Rektorin Astrid Körner im Podcast: "Keiner lebt für sich allein"

  • News
13. August 2025
In der aktuellen Folge von „Menschlichkeit zum Mitnehmen“, dem Podcast der Diakonie de La Tour Steiermark, spricht Astrid Körner, Rektorin und Vorstandsvorsitzende der Diakonie de La Tour, offen und persönlich über ihren Lebensweg, ihre Werte und ihre Vision für eine sozial gerechtere Gesellschaft. Es ist ein Gespräch über Umbrüche, Überzeugungen und über das, was Menschlichkeit heute wirklich bedeutet.

Der Weg vom Bauingenieurwesen zur Theologie

Geboren in Wien und ursprünglich in der Baubranche tätig, entschied sich Astrid Körner mit 27 Jahren für einen radikalen Neuanfang: ein Theologiestudium mit dem Ziel, evangelische Pfarrerin zu werden. „Ich hatte nie dieses eine Schlüsselerlebnis“, erzählt Körner, „aber irgendwann war klar: Ich will mit Menschen arbeiten, mit ihnen gestalten und wirken.“ Ihr technisches Interesse an tragfähigen Strukturen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn – begleitet sie bis heute. Die Statik eines Hauses vergleicht sie mit sozialen Gefügen: „Wenn man an einer kleinen Stütze etwas verändert, kommt das ganze System in Bewegung. So ist es auch im Leben.“

Privat lebt Astrid Körner mit ihrem Mann und sechs Kindern in Villach. Ihr Verständnis von Familie ist weit gefasst: „Familie ist für mich kein rückwärtsgewandter Begriff, sondern ein offener Raum, in dem Zugehörigkeit und Schutz möglich sind – egal, wie das Lebensmodell aussieht.“ In jungen Jahren lebte sie mit ihren Schwestern in einer Wohngemeinschaft mit gemeinsamem Garten – eine Alltagsform gelebter Solidarität, die ihr auch beruflich prägend blieb. „Ich bin überzeugt, dass wir Menschen einander brauchen. Kein Mensch soll alles alleine schaffen müssen.“

Diakonie bedeutet auf Menschen schauen, nicht auf Krisen

Seit 2024 steht Astrid Körner als Rektorin und Vorstandsvorsitzende an der Spitze der Diakonie de La Tour, einer der größten sozialen Organisationen Österreichs mit über 2.500 Mitarbeitenden und mehr als 100 Einrichtungen. Ihren Führungsstil beschreibt sie als von Demut, Dialog und Verantwortung geprägt. „Ich nehme nicht einfach ein Ruder in die Hand. Ich schaue zuerst: Welche Kräfte wirken hier bereits? Wie können wir gemeinsam gestalten?“ Als Theologin sieht sie sich besonders verantwortlich für die Identität und den gesellschaftlichen Auftrag der Diakonie: „Wir müssen uns immer wieder fragen: Warum tun wir, was wir tun? Und wie bleiben wir dem Auftrag treu, jedem Menschen mit Würde zu begegnen?“

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Frage nach dem diakonischen Kernauftrag. Körner bringt es auf den Punkt: „Wir können an keiner Not vorbeischauen. Aber wir schauen nicht auf die Not – wir schauen auf den Menschen, der davon betroffen ist.“ Es gehe nicht darum, Fälle zu bearbeiten oder Zustände zu verwalten, sondern darum, jedem Menschen in seiner Ganzheit zu begegnen – unabhängig davon, ob es sich um ein Kind in schwierigen Verhältnissen, einen pflegebedürftigen Senior oder eine geflüchtete Familie handelt.

Neue Wege in der Gesundheitsversorgung: Die Diakonie Klinik Waiern

Ein Meilenstein ihrer bisherigen Amtszeit ist die Eröffnung der neuen Diakonie Klinik Waiern im Jahr 2026. Das bisher größte Bauprojekt der Diakonie de La Tour wird als multiprofessionelles Zentrum für Psychosomatik, Suchtmedizin und Innere Medizin realisiert. „Wir behandeln keine Fälle, wir begleiten Menschen. Das ist der zentrale Anspruch dieses Hauses“, erklärt Körner. Ziel sei ein Ort, an dem Menschen ganzheitlich gestärkt werden – medizinisch, psychologisch und menschlich. Dabei spielt auch die Architektur eine Rolle: Helle Räume, offene Strukturen, ein respektvoller Umgang – „Gesundheit ist nicht nur die Abwesenheit von Krankheit, sondern das Gefühl, gesehen zu werden.“

Besonders eindrucksvoll ist Körners Sicht auf Kinder und Jugendliche, insbesondere auf jene, die in der Kinder- und Jugendhilfe betreut werden. Sie zitiert eine junge Frau, die ihr anvertraute: „Das Wichtigste im Leben ist, dass es die eine Person gibt, die hinter mir steht.“ Für Körner steht fest: „Kinder brauchen Vertrauen. Niemand darf allein gelassen sein – wirklich niemand.“ In einer Zeit, die stark vom Leistungsdenken und Individualismus geprägt ist, setzt sie auf Beziehungen, auf Zugehörigkeit und auf die Kraft von Begleitung. „Wir leben in einer Gesellschaft voller Ich-Bekenntnisse – unsere Aufgabe ist es, den Blick wieder auf das Wir zu lenken.“

Menschlichkeit in herausfordernden Zeiten

Trotz der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen – Fachkräftemangel, Krisen, Polarisierung – plädiert Körner für Hoffnung, Klarheit und Kooperation. „Hoffnung braucht ein Ja“, sagt sie, „nicht im Sinne von blauäugigem Optimismus, sondern als aktive Haltung: Was können wir bejahen, woran wollen wir mitarbeiten?“ Sie fordert ein neues Denken in Politik und Sozialpartnerschaft, das nicht bloß Symptome lindert, sondern nach echter Wirksamkeit fragt: „Was hilft Menschen wirklich, ihr Leben selbstbestimmt und gestärkt zu gestalten? Wie stärken wir das Gemeinsame in einer Gesellschaft, die sich zunehmend fragmentiert?“

Abschließend betont Astrid Körner, dass Menschlichkeit für sie keine abstrakte Idee ist, sondern tägliches Handeln. „Wir in der Diakonie sind nie fertig – wir sind immer Lernende. Und das ist gut so.“ Das 150-Jahre-Jubiläumsmotto „Aufeinander zugehen“ soll auch in Zukunft prägend bleiben: „Nur wenn wir den Dialog mit anderen offen halten, wenn wir Raum geben und teilen, können wir eine menschliche Zukunft gestalten.“

Die neue Podcast-Folge mit Astrid Körner ist ab sofort ab sofort auf Spotify und allen gängigen Plattformen verfügbar.https://shorturl.at/3beJS