Es gibt keine “Zuwanderung ins Sozialsystem”!

  • Analyse
15. März 2023
Wer Integration nachhaltig verhindern will, muss Sozialleistungen kürzen

Derzeit ist wieder von „Zuwanderung ins Sozialsystem" die Rede, obwohl es in Österreich unmöglich ist, direkt nach der Einreise Sozialhilfe zu beziehen. 

Zuwandern darf nur, wer verbindlich einen Job in Aussicht hat, bzw deren:dessen Partner:in über ausreichend Einkommen und eine sogenannte “ortsübliche Unterkunft” verfügt. Außerdem bekommt einen rechtmäßigen Aufenthalt nur, wer sich vollständig selbst erhalten kann und keine Sozialhilfe beansprucht. Das gilt für Bürger:innen der EU, genauso wie für Menschen aus allen anderen Ländern der Welt. 

Unter den Geflüchteten haben lediglich Flüchtlinge mit Asylanerkennung Anspruch auf Sozialhilfe. Sie sind österreichischen Staatsbürger:innen gleichgestellt, deshalb stehen ihnen auch dieselben Sozialleistungen zu. 

Sozialhilfe ist Starthilfe für Flüchtlinge in Österreich 

Es klingt vielleicht auf den ersten Blick paradox, aber der Zugang zu Sozialleistungen ist für Flüchtlinge ein Sprungbrett in die Integration und Selbsterhaltungsfähigkeit. Wie sonst soll ein Flüchtling, der vier Monate nach der Asylanerkennug das Grundversorgungsquartier verlassen muss, eine eigene Wohnung finanzieren und aus eigener Kraft einen Job finden?  

Es gibt viele Flüchtlinge, die aus dem Sozialhilfe-Topf auch nur einen sogenannten „Aufstockungsbetrag“ auf die Höhe der Sozialhilfe bekommen. Dies, weil sie beim Einstieg ins Erwerbsleben noch nicht genug verdienen. Wenn jetzt gekürzt würde könnten sie sich mit der – sagen wir - halben Sozialhilfe die selbst günstigste Mieten nicht mehr leisten, und ihre Integrationsbemühungen würden damit verunmöglicht.  

Wer mit den alltäglichen Ausgaben kämpft, kann sich nicht um die Arbeitssuche kümmern 

Wer zu wenig zum Leben hat, ist damit beschäftigt Essen und Unterkunft für den nächsten Tag zu suchen und wird nur schwer eine Arbeitsstelle finden. 

Die bisherigen Versuche der türkis/blauen Bundesregierung und einiger Bundesländer, die Sozialhilfe für Asylberechtigte zu kürzen, wurden allesamt vom Verfassungsgerichtshof wegen unzulässiger Diskriminierung abgewiesen. Auch der Europäische Gerichtshof hat unmissverständlich klargestellt, dass eine Ungleichbehandlung von Flüchtlingen und Staatsbürger:innen der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Unionsrecht widerspricht und damit nicht zulässig ist. 

Sozialhilfe für anerkannte Flüchtlinge zu kürzen ist verfassungswidrig 

Eines ist klar: Die Verantwortlichen aus der Politik sollten, bevor sie solche Vorschläge machen, die schon auf den ersten Blick verfassungswidrig sind, sowohl die Gesetzeslage als auch die Judikatur der Höchstgerichte kennen. Und: Sie müssen die Genfer Flüchtlingskonvention respektieren.  

Sozialhilfe und Grundversorgung - Was ist der Unterschied? 

Wer nach Österreich kommt, um hier Schutz zu suchen, lebt während des Asylverfahrens oft Jahre lang von 40 Euro Taschengeld pro Monat und landet in einem Grundversorgungsquartier. Dort gibt es lediglich ein Bett in einem Mehrbettzimmer, Essen und Krankenversicherung. Das ist es, was “Grundversorgung” bedeutet.  

Erst nachdem Flüchtlinge ein extrem strenges Asylverfahren durchlaufen haben, haben sie dann - oft nach Jahren des Wartens - Anspruch auf Sozialhilfe. 

Autor:innen

Mag. Christoph Riedl
Grundlagen & Advocacy
Sozialexperte Migration, Asyl, Integration, Menschenrechte