„Es ist ein ewiger Kampf“ – Ein Patient berichtet über seine Spielsucht
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Glücksspiel und Wetten sind in Österreich allgegenwärtig. Ob Sportwetten, Online-Casinos oder Automaten – die Angebote sind vielfältig, leicht zugänglich und besonders für junge Menschen verlockend. Was als harmlose Freizeitbeschäftigung beginnt, kann schleichend in eine Sucht führen. In der Spielsuchtambulanz de La Tour in Villach suchen jedes Jahr zahlreiche Betroffene Hilfe. Einer von ihnen hat offen über seinen Weg in die Sucht und den mühsamen Ausstieg gesprochen. Ergänzend ordnet Dr. Hannes Sterbenz die Situation fachlich ein.
Der Patient begann mit 18 Jahren mit Sportwetten. Anfangs war es spannend, weil das Wetten das Sportvergnügen verlängert hat. „Man hatte das Gefühl, live dabei zu sein und sein Wissen einsetzen zu können. Und manchmal war man sogar erfolgreich.“ Doch aus gelegentlichen Tipps wurden regelmäßige Einsätze, hinzu kamen Casinos und Online-Angebote. „Wenn man die Selbstkontrolle verliert, übernimmt das Spiel schnell das Leben. Es war ein ständiger Begleiter – egal ob in der Arbeit, daheim oder in der Freizeit.“
Die Folgen waren massiv: innere Unruhe, Gereiztheit, ständige Geldsorgen. Auch wenn die Verschuldung nicht sofort sichtbar war, nagte sie an jedem Lebensbereich. „Man redet sich vieles schön – aber die Unsicherheit bleibt. Man kann nie wirklich sorglos leben.“ Über Jahre hinweg versuchte er, sein Verhalten zu verbergen. „Ich habe mir eingeredet, es sei nicht so schlimm. Aber am Ende war es Dauerstress. Man kann sich nicht freuen, man kann Gefühle nicht offen zeigen.“
Der erste Versuch, Hilfe zu suchen, liegt bereits mehr als zehn Jahre zurück. Damals blieb es jedoch bei wenigen Gesprächen, Rückfälle folgten. Erst 2024 fand der Patient den Weg in die Spielsuchtambulanz de La Tour in Villach. „Ich habe gemerkt: So kann es nicht weitergehen. Die Gespräche haben mir sehr geholfen – sie sind offen, wertfrei und bringen Klarheit.“
Heute lebt er stressfreier und bewusster. „Ich kann wieder entspannter sein, den Alltag ruhiger angehen. Auch mit Geld gehe ich gelassener um. Natürlich dauert es, bis man jahrelange Muster ablegt. Aber es ist eine Befreiung.“ Sport ist für ihn nach wie vor ein wichtiger Teil des Lebens. „Während der Sucht musste ich jedes Spiel verfolgen, es war ein zusätzlicher Kick. Heute kann ich mir das Fußballspiel meines Lieblingsvereins ansehen – und wenn es mir nicht gefällt, schalte ich in der Halbzeit ab. Das hätte ich früher nie gekonnt.“ Dr. Hannes Sterbenz, Allgemeinmediziner mit Schwerpunkt Psychotherapeutische Medizin (VT) an der Spielsuchtambulanz Villach, betont dazu: „Das ist aber nicht die Regel, sondern eher eine Ausnahme. Viele Patientinnen und Patienten müssen in der ersten Phase Sportübertragungen meiden, um nicht erneut in die Suchtspirale zu geraten.“
Wenn man die Selbstkontrolle verliert, übernimmt das Spiel schnell das Leben. Es war ein ständiger Begleiter – egal ob in der Arbeit, daheim oder in der Freizeit.
Wie die Ambulanz hilft – und was die Zahlen zeigen
Dr. Sterbenz kennt die Dynamik der Abhängigkeit genau. „Besonders problematisch sind derzeit Online-Sportwetten. Gerade junge Menschen sind stark gefährdet, wenn Sport eine wichtige Rolle spielt und Werbung gezielt diese Zielgruppe anspricht. Dazu kommt die Illusion, man könne mit Fachwissen das Ergebnis beeinflussen.“ Schon ab dem späten Jugendalter treten erste Auffälligkeiten auf. „Oft beginnt es im Freundeskreis – man redet über Quoten, über Spiele, glaubt, man habe alles im Griff. Doch genau dieses Gefühl ist trügerisch.“
Risikofaktoren seien vielfältig: Selbstwertprobleme, Depressionen, soziale Unsicherheit oder auch Langeweile. „Glücksspiel wird dann zum Ort des Abschaltens, eine Art Ersatz für Sinn. Das macht es gefährlich.“ Angehörige sollten aufmerksam werden, wenn Geld ständig ein Thema ist, häufig Geld geborgt wird oder Termine auffällig oft verschoben werden. Auch Gereiztheit und heimliches Verhalten können Hinweise sein. Hilfe gibt es schnell und unkompliziert: „Wir brauchen keine Zuweisung, innerhalb von zwei Wochen gibt es einen Termin. Der erste Kontakt ist oft schon eine Entlastung.“
Das Angebot reicht von psychiatrischen Facharztgesprächen bis hin zu verhaltenstherapeutischen Einzel-, Paar- und Familiengesprächen. Ergänzt wird es durch Gruppentherapie, Sozialberatung mit Schuldnerberatung, Begleitung vor und nach einem stationären Aufenthalt sowie Krisenintervention. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf Strategien zur Rückfallvorbeugung – denn Rückfälle gehören zum Prozess. „Wichtig ist, sie offen anzusprechen. Aus jedem Rückfall kann man lernen“, betont Sterbenz. Auch Präventionsangebote wie Vorträge und Workshops gehören dazu.
Wichtig ist, Rückfälle offen anzusprechen. Aus jedem Rückfall kann man lernen.
Wie wichtig dieses Angebot ist, zeigen die Zahlen aus dem Vorjahr. In der Spielsuchtambulanz de La Tour in Villach wurden 2024 über 1.900 Gespräche mit Betroffenen geführt. Außerdem wurden im selben Jahr auch 38 Angehörige in laufenden Gesprächen begleitet und unterstützt.
Ein großes Problem sieht Sterbenz in der Werbung: „Sie suggeriert, dass man gewinnen kann, und zielt bewusst auf junge, sportaffine Menschen ab. Ein Werbeverbot im Umfeld von Schulen und öffentlichen Verkehrsmitteln wäre das Minimum – besser wäre ein generelles Werbeverbot wie beim Tabak.“ Prävention müsse früh ansetzen: „Aufklärung in Schulen und Sportvereinen ist entscheidend. Jugendliche müssen verstehen, dass Glücksspiel kein harmloses Freizeitvergnügen ist.“
Das Beispiel zeigt: Spielsucht kann jeden treffen – und sie ist eine enorme psychische Belastung. Gleichzeitig ist sie behandelbar. „Mut ist der erste Schritt“, sagt der Patient. „Es ist schwer, aber es lohnt sich.“ Wer Unterstützung braucht, findet Hilfe in der Spielsuchtambulanz de La Tour in Villach. Termine können unkompliziert vereinbart werden.