Freiwilligenkoordination – was ist das eigentlich?

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17. März 2023
Was macht eigentlich ein:e Freiwilligekoordinator:in? Im Interview berichtet Christine Daller von ihrer Arbeit im Freiwilligenprojekt „Handy, Laptop & Co“.

Ich bin seit September als Koordinatorin im Digi-Projekt tätig, zu diesem Zeitpunkt war ich im letzten Semester meines Bachelorstudiums Pädagogik, was ich im Jänner erfolgreich abgeschlossen habe. Da ich bereits eine Ausbildung als Elementarpädagogin und viel Erfahrung im organisatorischen und vernetzenden Tätigkeitsbereich aufgrund eigener Selbstständigkeit und Backoffice Erfahrungen hatte, konnte ich mich voll und ganz mit der Fülle an Aufgaben aus der Stellenbeschreibung identifizieren. 

Ich bin durch die aktive Suche in der Jobbörse des Diakoniewerks auf die Stellenausschreibung aufmerksam geworden. Ehrlich gesagt, war mir das Berufsbild der Freiwilligenkoordinatorin bis dahin nicht geläufig. Und so geht es sehr vielen Menschen, mit denen ich rede, ebenso Kolleg:innen und Studienkolleg:innen. „Und was macht man da genau?“ ist meist die erste Frage. Aus diesem Grund habe ich im Herbst das Berufsbild der/des Freiwilligenkoordinator:in an der Universität Salzburg vorgestellt. Einfach, um diesen Beruf sichtbar zu machen und das Interesse im Bereich Freiwilligenarbeit für zukünftige Absolvent:innen zu wecken. Da das Spektrum der Arbeitsaufgaben und Fähigkeiten so groß ist, passt es perfekt zu „Allroundern“, die gerne Verantwortung übernehmen. Zudem habe ich den Studienschwerpunkt „Digitale Medien“ absolviert und als ich dann das Projekt „Handy, Laptop & Co“ sah, war mir sofort klar, da muss ich mich bewerben. 

Im Projekt geht es vorrangig darum, älteren Menschen/Senior:innen, aber auch mehrfach benachteiligten Personen (physisch oder psychisch) die digitale Teilhabe in einer mittlerweile hoch technisierten Gesellschaft mit Hilfe von Freiwilligen (von Jung bis Alt) zu ermöglichen. Das Besondere am Angebot ist, dass es für die hilfesuchenden Senior:innen kostenlos und barrierefrei ist. Viele können ihr Glück, kostenlose und vor allem bedürfnisorientierte Hilfe für ihre je individuellen Fragen zu bekommen, kaum fassen.

Das ist eines der schönsten Erlebnisse an diesem Beruf, zu sehen, wie ältere Menschen Erfolgsmomente durch die Hilfe der Freiwilligen erleben.

Freiwilligenkoordinatorin Christine Daller

Viele Senior:innen haben sehr negative Glaubenssätze, wie „ich bin doch zu alt für die Technik“, „Technik ist ja nur was für Männer“ oder „ich bin einfach zu blöd dafür“. Bei solchen Aussagen schmerzt das Pädagog:innenherz schon sehr, da es das Selbstbild in Bezug auf Technik offenlegt. Die Angst, etwas falsch oder kaputt zu machen und die Scham, das, was „scheinbar“ für alle anderen selbstverständlich ist, nicht zu verstehen. Dabei ist es keine Frage des Alters allein, denn auch viele junge Menschen haben mit der digitalen Welt eine gewisse „Hass-Liebe“. Fakt ist, dass ohne Smartphone, Laptop, Tablet und Internetzugang viele Vergünstigungen und Möglichkeiten sozialer, gesellschaftlicher Teilhabe einschränkt sind.

Wichtig ist, Senior:innen nicht Informationen überzustülpen, sondern immer aus Sicht der Betroffenen das notwendig erachtete möglich zu machen. Das erleichtert einerseits das Alltagsleben erheblich und schützt andererseits auch aktiv vor Einsamkeit. Die positive, offene Zuwendung der Freiwilligen und das regelmäßige gemeinsame Üben mit der „fremden digitalen Welt“ eröffnet neue Möglichkeiten der sozialen Teilhabe. Viele wünschen sich WhatsApp, um mit ihrer Familie Fotos und Videos auszutauschen. Wer schreibt heute noch Briefe und versendet Fotos? Mit dem Smartphone geht es schnell und einfach, die Senior:innen einzubinden. So kann man wesentlich mehr Anteil am Alltag der Kinder, Enkel:innen und Freund:innen nehmen. Ein Lieblingslied anhören, eine Adresse oder Öffnungszeiten googeln, Medikamente per E-Mail bestellen, Termine online vereinbaren, all diese Alltäglichkeiten sind für viele Menschen selbstverständlich im Alltag integriert und das sollen sie auch für unsere Senior:innen werden bzw. sein!

Das Typische ist, dass es keinen typischen Arbeitstag in dem Sinne gibt. Von Telefonaten mit Senior:innen und Freiwilligen zu Terminvereinbarungen für Erstgespräche und Matchings, bis zu den Hausbesuchen bei Senior:innen und Feedbackgesprächen mit beiden Seiten während und nach der Betreuung bin ich sehr nah am Menschen. Ich bin sozusagen erste Ansprechpartnerin für alle Anliegen, die man sich vorstellen kann. Die Sorgen der Senior:innen auffangen und herausfiltern, was wird wo gebraucht und wie kann ich am besten helfen, bis zu Ideen der Freiwilligen, die wir versuchen einzubauen.

So hat sich auf Initiative einiger Freiwilliger ergeben, dass nun 45 statt 30 Minuten Beratung in einigen Sprechstunden abgehalten werden. Aber auch die Organisation spezieller Weiterbildungsangebote für unsere IT-Freiwillige fällt darunter. Zum Beispiel habe ich einen Vortrag zum Thema „Digitales Leben und Lernen älterer Menschen“ im Herbst abgehalten mit anschließender Reflexion der Einsätze, wo sich dann die Verlängerung der Sprechstundenzeiten in der Diskussion ergeben hat. Bedankungskultur wie Geburtstagsgrüße versenden, Organisation von gemeinsamen Zusammenkünften der Freiwilligen, ebenso wie viel Vernetzungsarbeit zwischen den Organisationen und Gemeinden, um viele Senior:innen zu erreichen. Bis hin zu Inserate verfassen, um neue Freiwillige und Senior:innen zu erreichen.

Die Unterstützung hat dort ihre Grenzen, wo die wertvolle, persönliche Zeit der Freiwilligen für „Dienstleistungsangebote“ ausgenutzt wird. Umfangreiche Softwareupdates, Geräte reparieren, am Abend oder Wochenende Freiwillige anzurufen, weil man zufällig deren Telefonnummer oder Emailadresse weiß. Das sind die markantesten No-Gos, ergo Grenzen. Man kann sagen, immer dort, wo die kostenlose, wertvolle Zeit der Freiwilligen ausgenutzt wird, um zu unbezahlten Dienstleistungen zu kommen. Denn bei uns geht es ums gemeinsame Lernen, Hilfe zur Selbsthilfe, Erklärungen, um das Digitale zu verstehen und die Senior:innen ein Stück weit in die digitale Welt zu begleiten, Ängste und Scham abzubauen. 

Freiwillige sollten die Bereitschaft mitbringen, sich auf die Bedürfnisse der älteren Menschen einzulassen und gute Zuhörer sein. Gerne erklären und Begriffe verständlich machen, viele kennen Ausdrücke wie Cloud, App, Browser usw. nicht. Dabei kann man es mit einfachen Worten oder einer Skizze oft kurz und bündig erklären. Schon haben Senior:innen und die Freiwilligen ein Erfolgserlebnis, weil ein Begriff endlich verstanden und be-griffen werden kann. Versuchen, die Perspektive älterer Menschen einzunehmen. Geduld und ein offenes Ohr sind ebenfalls ganz wichtig, denn auch Einsamkeit ist ein großes Thema. Gerade was Technik betrifft, gibt es auf Seiten der Senioren große Verunsicherungen, Scham und Angst überhaupt zu fragen, wenn man nicht weiß, was man eigentlich braucht.

Zu sehen, wie Senior:innen ihre Erfolgsmomente feiern und so selbstständiger und digital verbundener mit ihren nächsten Familienangehörigen oder Freund:innen agieren können. Das Strahlen, wenn ein Problem gelöst oder eine Frage beantwortet werden konnte. Aber auch die Gespräche mit den Freiwilligen und das Vertrauen, das sie mir schenken, indem ich persönliche Beweggründe und ein bisserl was über ihr Leben erfahren darf und vor allem, wenn ich ein Pärchen vermittelt habe und es menschlich und technisch funktioniert und die Partnerschaft gegenseitig bereichernd ist. Es macht mir auch Freude, wenn ich meinen Beruf, meine Tätigkeiten anderen näherbringen kann und dadurch mehr Leute von unserem Projekt erfahren.

Ich würde gerne noch mehr Senior:innen helfen und dazu ermutigen, Hilfe anzunehmen. Der erste Schritt ist ein Anruf bei mir oder meinen Kolleg:innen, traut euch! Besonders freut es mich, dass ich „Handy, Laptop & Co“ nun im Flachgau ausbauen darf, wo ich fleißig am Netzwerken und Anknüpfen bin. Dazu brauchen wir natürlich viele Freiwillige, die in den Umlandgemeinden wohnen. So kann man freiwilliges Engagement ohne lange Fahrtwege ermöglichen und in der eigenen Heimatgemeinde tätig werden. Auch einen Vortrag oder kleine Veranstaltung als Dankeschön für unsere Freiwilligen würde ich heuer sehr gerne organisieren. Ich bin wirklich sehr dankbar ein Teil des Diakoniewerks Salzburg sein zu dürfen und freue mich jeden Tag auf die Arbeit. Weil ich mit wertschätzenden Menschen zusammenarbeite, weil der Mensch im Mittelpunkt steht und meine Aufgaben so vielfältig sind und ich täglich sehen kann, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie ankommen soll. Bei den Senior:innen, aber auch die positiven Erfahrungen, die die Freiwilligen für sich und ihren Lebensweg mitnehmen.

Ein Freiwilliger zeigt einer Seniorin etwas auf einem Laptop.
© Elisabeth Hennecke
Handy, Laptop & Co

"Handy, Laptop & Co" vermittelt Freiwillige, die andere Menschen beim Einstieg in die digitale Welt unterstützen und mit ihnen das Verwenden von Smartphone, Laptop oder Tablet einüben. 

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