Budget 2014 – Sparen für Bankenpleite auf Kosten der Schwächsten?

  • Pressemitteilung
30. April 2014

Caritas, Diakonie, Rotes Kreuz und SOS Kinderdorf fordern die Regierung auf, Sparpläne nicht zu Lasten der Menschen am Rande der Gesellschaft umzusetzen.





Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwoch reagierten Caritas Präsident Michael Landau, Diakonie Direktor Michael Chalupka, Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer und SOS Kinderdorf Geschäftsführer Christian Moser auf die Budgetrede des Finanzministers Michael Spindelegger.



Michael Chalupka, Direktor der Diakonie meinte wörtlich: „Der Finanzminister hat uns gestern erklärt, dass Fleißaufgaben nicht mehr an der Zeit sind. Der Fokus müsse auf den Kernaufgaben des Staates liegen. Anders aber als der Finanzminister, der, liest man den Budgetentwurf, die Kernaufgaben vor allem im Sparen und in der Bankenrettung sieht, sieht die Diakonie die Kernaufgaben des Staates anderswo: Alte Menschen zu pflegen ist keine Fleißaufgabe, Kinder zu lehren und auszubilden ist keine Fleißaufgabe, und auch Menschen mit Behinderungen zu begleiten ist keine Fleißaufgabe. All dies sind Kernaufgaben des Staates. Der moderne Wohlfahrtsstaat ist keine Fleißaufgabe, sondern Grundlage für ein gutes Leben."



Die Caritas begrüßt die Aussagen des Finanzministers, dass es zu keinen Kürzungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik kommt und mehr Mittel zur Integration älterer arbeitsloser Menschen bereitgestellt werden. Auch die Weiterführung der Maßnahmen zur Sicherstellung der Bildungsgarantie bis 18 Jahren ist notwendig und positiv zu bewerten.



„Alle sind sich einig, dass man den Faktor Arbeit entlasten muss. Es gibt hierzu gute Modelle zur Gegenfinanzierung. Die hier geplante Senkung der Lohnnebenkosten fällt viel zu gering aus und bei der Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5% bleibt es bei einer Ankündigung. Das ist ungenügend!", kommentiert Caritas Präsident die angekündigten Budgetmaßnahmen im Bereich Arbeitsmarktpolitik.



Ein weiterer neuralgischer Punkt ist der Wohnraum: Während die Mieten stetig steigen, stagnieren die Löhne. Landau: „Die Schere zwischen verfügbarem Einkommen der Menschen und Wohnkosten geht immer weiter auseinander. Diese Entwicklung spürt auch der Mittelstand deutlich. Da kann man nur mehr erahnen, wie dramatisch sich die Wohnfrage für Menschen mit niedrigen Einkünften zuspitzt. Die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderungsmittel ist und bleibt unverzichtbar!" Noch im Herbst wurde von 276 Millionen Euro für geförderten Wohnbau gesprochen, gestern waren es nur noch 180 Millionen. Ob der nun im Budget vorgesehene Anreiz zu Investition in Wohnbauanleihen Erfolg bringen wird, bleibt abzuwarten.



Pflege und Hospiz

Keine Anhaltspunkte lieferte die Budgetrede jedoch bezüglich der Etablierung einer solidarischen Absicherung des Lebensrisikos Pflegebedürftigkeit. Offen geblieben sind auch eine strategisch sinnvolle Steuerung und ein Konzept für eine langfristige Finanzierung der Pflege und Betreuung in Österreich. Immerhin sieht die Regierung eine Fortschreibung des Niveaus von 2016 vor. „Wir wissen allerdings zum heutigen Zeitpunkt nicht, ob dieser Betrag den tatsächlichen Bedarf in den Bundesländern decken wird können. Es ist höchste Zeit, öffentlich finanzierte Einrichtungen der abgestuften Hospiz- und Palliativversorgung in Österreich auszubauen. Wir heilen gebrochene Arme, geben unser Bestes, um den Krebs zu besiegen, aber im Tod und im Sterben lassen wir die Menschen alleine. Das ist nichts, worauf man stolz sein kann", so Michael Landau.





Armut weltweit

Besonders dramatisch sind die budgetierten Einsparungen in der Entwicklungszusammenarbeit für 2015: Das Budget für die direkte Projekthilfe in der Entwicklungszusammenarbeit und den Auslandskatastrophenfonds wird von bisher 82 Millionen Euro auf 65,4 Millionen reduziert. „17 Millionen Euro in den Bereichen Entwicklungshilfe und Humanitäre Hilfe zu streichen, ist gleichzusetzen mit unterlassener Hilfeleistung für Menschen in Not", (beispielweise in der schwer betroffenen West Sahel Region oder dem Süd Sudan), und Caritas Präsident Michael Landau weiter: „Nur um die Relationen klar zu machen: Ein neu gebauter Autobahnkilometer kostet rund 17 Millionen Euro und mit nur einer Million Euro kann Österreich 2.000 Familien oder 12.000 Menschen langfristig vom Hunger befreien."



Rotes Kreuz zu Pflege



„Der Bereich Pflege ist eine besondere finanzielle und organisatorische Herausforderung. Hier gebe ich dem Finanzminister uneingeschränkt recht", sagt Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. „Ich frage mich nur, wann die organisatorischen Herausforderungen angegangen werden. Woher sollen die 22.500 Vollzeitkräfte in der Pflege kommen, die bis 2025 fehlen? Welche Ideen gibt es, um Pflege- und Betreuungsberufe attraktiver zu machen? Wie bauen wir die Unterstützungsleistungen für den größten Pflegedienst Österreichs – die pflegenden Angehörigen – aus?". Die neu eingeführte Pflegekarenz sei zweifelsohne eine sinnvolle und erfreuliche Einzelmaßnahme, so Schöpfer weiter, allerdings fehle hier immer noch der Rechtsanspruch.



Auslands- und Katastrophenhilfe



„Beschämend ist, dass die Regierung entgegen allen Ankündigungen ihrer internationalen Verantwortung nun doch nicht gerecht wird. Hier fehlt die Handschlagqualität", kommentiert der Rotkreuz-Präsident die Tatsache, dass der Katastrophenhilfe im Ausland jährlich weiterhin nur fünf anstatt der angekündigten 20 Millionen zur Verfügung stehen. „Hiermit ist der Auslandskatastrophenfonds immer noch dramatisch unterfinanziert. Die staatlichen Mittel stehen damit auch in keinem Verhältnis zur Spendenbereitschaft der Bevölkerung."



„Der Finanzminister hat in seiner Rede gemeint: ‚Österreich ist trotz Krise das zweitreichste Land der EU‘. In Bezug auf die Unterstützung von Menschen in Not, ob hier oder in anderen Ländern, habe ich das nicht feststellen können", so Schöpfer.



SOS Kinderdorf zu Kinder- und Jugendwohlfahrt



Neue Spielräume werde man sich mit dem Budget erarbeiten, versprach der Finanzminister gestern. „Viele junge Menschen in Not werden von diesen neuen Spielräumen allerdings  nichts bemerken. Denn ihnen wird die Chance, in Ruhe erwachsen zu werden, weiterhin verwehrt", sagt Christian Moser, Geschäftsführer von SOS-Kinderdorf. Jugendliche, die nicht bei ihren Eltern leben können, verlieren mit 18 den Rechtsanspruch auf Kinder- und Jugendhilfe. „Die Politik lässt sie im Stich, es muss endlich eine einheitliche Lösung  für ganz Österreich geben." Als beschämend bezeichnet Moser außerdem den Umstand, dass unbegleiteten Kindern auf der Flucht derzeit in Österreich nur die halben finanziellen Mittel zuerkannt werden. „Braucht ein Kind aus Afghanistan nur halb so viel zu essen? Nur halb so viel Zuwendung? Es gibt kein halben Kinder!" Die Einsparungen in der Entwicklungszusammenarbeit sind für Moser eine „absolute Katastrophe": „Die schönen Worte im Regierungsprogramm sind offenbar nichts wert – das ist eine Schande."