Diakonie Direktor heute in Alpbach: In die Care-Arbeit investieren

  • Pressemitteilung
02. September 2015

Diakonie-Direktor kritisiert Entthematisierung der Sorgearbeit



„Ohne Care-Arbeit würde unsere Gesellschaft zusammenbrechen. 69% der Arbeit, die bezahlt oder unbezahlt geleistet wird, ist Sorge-Arbeit. Und trotzdem wird, wenn es um Wirtschaftskrisen und Konjunkturpakete geht, darauf vergessen", so Diakonie Direktor Michael Chalupka bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach. Chalupka kritisiert weiters: „Investitionen in die Care-Arbeit, der Abbau sozialer Ungleichheit und der Ausbau sozialer Dienstleistungen werden meist nur unter Gesichtspunkt der Kosten, die sie verursachen diskutiert. In Krisenzeiten wird über Einsparungen nachgedacht, und es kommt wieder zu ein Verschiebung der Care-Arbeit in die Familien zu Lasten der Frauen." Ein radikales Umdenken sei gefordert, meint Chalupka. Der Ausbau sozialer Dienstleistungen müsse endlich als Investition gesehen werden, die als Motor der wirtschaftlichen Konjunktur wirkt.



Soziales als Wirtschaftsmotor



Die Beschäftigung im Gesundheits- und Sozialbereich ist in Europa stärker gewachsen als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Die Zahl der Beschäftigten stieg hier in den letzten 10 Jahren um 4,2 Millionen Menschen. Das ist ein Viertel des gesamten Beschäftigungszuwachses in der EU. Dieser Sektor trägt etwa 5 Prozent zur gesamten wirtschaftlichen Leistung in Europa bei. „In diese Zahl ist freilich die Care-Arbeit, die unbezahlt geleistet wird, nicht eingerechnet", sagt der Diakonie-Direktor. „Die Vernachlässigung unbezahlter Sorgearbeit in Statistiken ist Teil des Problems der systematischen Entthematisierung dieser gesellschaftlich notwendigen Arbeit. Ein anderer Teil ist das notorische Unterschätzen ihrer Bedeutung für das Wirtschaftswachstum."



Die Hilfen für die Pflege der Oma, die Assistenz für Menschen mit Behinderungen oder die Betreuung des kleinen Sprösslings sorgen für Wachstum, stabilisieren die Wirtschaft und stiften sozialen Ausgleich: Sie haben Wachstumsfunktion bei Beschäftigung. Sie haben stabilisierende Funktion, weil sie Teilhabe sichern und Nachfrage über den Konjunkturzyklus bereitstellen. Sie wirken als „automatische" Stabilisatoren: Während Industrieproduktion, Exporte und Investitionen in Folge der Finanzkrise in Österreich stark gesunken sind, ist einzig der Konsum der privaten Haushalte stabil geblieben. Und sie erfüllen die Funktion des sozialen Ausgleichs. Besonders Pflege, Kinderbetreuung und Bildung reduzieren das Armutsrisiko und helfen den Schwächeren.



Soziale Dienste schaffen Jobs auch am Land



Soziale Dienste sind auch deshalb konjunkturell interessant, weil sie regional und in strukturschwachen Regionen Jobs schaffen. Viele Leute könnten in manch ländlicher Region nicht mehr leben, würde es nicht Pflege, Gesundheitshilfen oder Kinderbetreuung geben. Zum einen um selbst Beruf und Familie vereinbaren zu können, zum anderen als verfügbarer Arbeitsplatz in der Region. Ohne Tageszentrum für die demenzkranke Mutter müsste – zumeist – die Tochter den Job aufgeben. Ohne Job als Behindertenbetreuer oder Pflegekraft müssten viele wegziehen.



„Die Potenziale für uns alle bei Pflege, Kinderbetreuung, Bildung und sozialen Hilfen können gehoben werden. Österreich liegt mit seinen Sozialdienstleistungen unter dem EU-Durchschnitt. „Hier gibt es viel ungenutztes Potenzial, das wir nicht brach liegen lassen sollten", stellt Michael Chalupka abschließend fest.