Diakonie und Volkshilfe befürchten Chaos und Stillstand in Asylverfahren

  • Pressemitteilung
28. Februar 2020
Vertrag zur unabhängigen Rechtsberatung im Asylverfahren gekündigt: Angriff auf den Rechtsstaat

Vertrag zur unabhängigen Rechtsberatung im Asylverfahren gekündigt: Angriff auf den Rechtsstaat„Ab 1. Jänner nächsten Jahres müssen wir Stillstand und Chaos in den Asylverfahren in 2. Instanz befürchten. Denn jetzt ist es fix: Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung im Asylverfahren wird mit Ende diesen Jahres Geschichte sein, die so genannte  Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen im Asylverfahren (BBU) wird übernehmen", konstatiert Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie Österreich anlässlich der Kündigung der Verträge zur Durchführung der unabhängigen Rechtsberatung mit Ende Februar. „Auch die neue Regierung hat die einhelligen Warnungen vor der Aushöhlung des Rechtsstaats durch Verstaatlichung der bislang von unabhängigen Nichtregierungsorganisationen durchgeführten Rechtsberatung in den Wind geschlagen", kritisiert Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe, die in Kooperation mit der Diakonie die Rechtsberatung - noch - durchführt. Diese Warnungen waren auch von führenden Verfassungs- und Völkerrechtsprofessoren, aber auch von UNHCR, der UN Menschenrechts-Kommissarin, der österreichischen und europäischen Zivilgesellschaft, der RichterInnenvereingung und der Rechtsanwaltskammer wiederholt geäußert worden.



Das „neue Beratungssystem" ist nicht unabhängig



Seit Bekanntwerden der Pläne zur Verstaatlichung der Rechtsberatung im Asylverfahren  kritisiert die Diakonie und die Volkshilfe, dass eine unabhängige Rechtsberatung verhindert und der Rechtsschutz dadurch geschwächt werden soll. Denn wenn die rechtliche Vertretung von Asylsuchenden einer Bundesagentur, die de facto eine GmbH des Innenministers ist, übertragen wird, wächst die Gefahr, dass fehlerhafte oder willkürliche Entscheidungen nicht mehr revidiert werden und auch dem Blick und damit der Kontrolle der Öffentlichkeit entzogen sind. „Die BBU ist eine Blackbox, in der Menschen auf der Flucht und der Zugang zu einem fairen Asylverfahren verschwinden," kritisierte die Diakonie schon im März 2019.

Ab 1. Jänner 2021 werden die RechtsberaterInnen im direkten Einflussbereich des Innenministeriums stehen, dem auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl untersteht, das für fehlerhafte und willkürliche Entscheidungen verantwortlich ist. Die Leitung der Rechtsberatung hat genauso wie die Geschäftsführung der Bundesagentur den Anweisungen des vom BMI dominierten Aufsichtsrates zu folgen. Das heißt: Die Unabhängigkeit - Grundvoraussetzung für ein faires Verfahren - ist dahin. Auch dann, wenn die einzelnen RechtsberaterInnen auf dem Papier „weisungsfrei" sind.



„Stell Dir vor, der Anwalt deines Ex berät dich bei der Scheidung! So unfair ist das neue Asylverfahren", teilt die Diakonie Direktorin die Einschätzung der Initiative #FairLassen.



Stillstand



Die BBU soll die Rechtsberatung ab1.1.2021 durchführen. "Doch wird das funktionieren?", fragt Moser. Denn noch seien zentrale Fragen, soweit die Diakonie bisher weiß, völlig unklar: Wer werden die RechtsberaterInnen sein, die ab Jänner Beratung und Vertretung übernehmen? Welche Qualifikation werden sie haben? Wie wird ihre Unparteilichkeit und Weisungsfreiheit effektiv sichergestellt? Wie viele Rechtsberater und Rechtsberaterinnen werden angestellt, wird ausreichend Personal vorhanden sein, damit die anhängigen rund 23.000 Fälle zügig abgearbeitet werden können? Unter welchen Bedingungen werden die neuen RechtsberaterInnen arbeiten, welche Ressourcen stehen ihnen zur Verfügung, wie viel Zeit können sie für den einzelnen Fall aufwenden? Wie kann sichergestellt sein, dass die Beratung nicht finanziell ausgehungert wird? Nur durch eine ausreichende Finanzierung kann Weisungsfreiheit funktionieren. Wie wird die Qualität der Rechtsberatung auch in Zukunft sichergestellt und regelmäßig extern überprüft? -  "Fragen über Fragen", so die Diakonie-Direktorin. "Wenn das alles nicht in den nächsten 10 Monaten geklärt und umgesetzt wird, müssen wir befürchten, dass es zum Stillstand der Verfahren in 2. Instanz kommt und das Asylwesen in Österreich im Chaos versinkt."



Ein funktionierendes und geordnetes Asylwesen, sowie dass die Rechtsberatung auch in Zukunft durch fachlich qualifizierte und erfahrene Personen geleistet wird, liege der Diakonie am Herzen, betont die Direktorin. "Deshalb bietet die Diakonie dem Justizministerium trotz der Bedenken unsere Expertise und Zusammenarbeit an."

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Hintergrund  - Chronologie der Ereignisse zum „BBU-Gesetz"





Unabhängige Nichtregierungsorganisationen machen Rechtsberatung und Rechtsvertretung im Asylverfahren seit 2011. Bisher entspricht die Rechtsberatung durch Nichtregierungsorganisationen einer Vertretung durch RechtsanwältInnen – sowohl von ihrer Qualität, als auch aufgrund ihrer Unabhängigkeit, so wie es die EU-Grundrechtecharta verlangt.

Das Gesetz über die Errichtung einer Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-Gesetz) wurde am 16. Mai 2019 - also am Tag vor Ibiza! -  auf den Weg gebracht. Die BBU soll neben der Rechtsberatung auch die Unterbringung in der Grundversorgung und die Rückkehrberatung übernehmen.

Die Übergangsregierung hat Ende 2019 die Besetzung der Geschäftsführung vorgenommen, wollte aber die Entscheidung über tatsächliche Kündigung der Rechtsberatungs-Verträge mit Nichtregierungsorganisationen der nächsten Bundesregierung überlassen. Die ausführenden Nichtregierungsorganisationen wie die Diakonie und die Volkshilfe sind der Bitte des damaligen Justizministers um Fristverschiebung für die Kündigung von 31.12.2019 auf 28.2.2020 nachgekommen.

Die neue Bundesregierung hat die Chance aber nicht ergriffen, die Verstaatlichung der Rechtsberatung im Asylverfahren zurückzunehmen oder zumindest massiv zu entschärfen.

Der Vertrag wurde nun gekündigt, und die Kündigung wird mit 1.1.2021 wirksam.