Diakonie zu Sozialhilfe in NÖ: Hohe Wohnkosten nicht ausreichend berücksichtigt

  • Pressemitteilung
12. Juni 2019
Begutachtung würde Qualität des Gesetzes verbessern / Selbstbestimmung sichern und Not abwenden statt Leben noch schwerer machen.

Begutachtung würde Qualität des Gesetzes verbessern / Selbstbestimmung sichern und Not abwenden statt Leben noch schwerer machen.„Wir sind jeden Tag in Beziehung mit Kindern, Frauen und Männern, pflegenden Angehörigen oder Wohnungslosen. Wir wissen, wie sich Gesetze auf ihren Alltag auswirken", kommentiert Diakonie Direktorin Maria Katharina Moser das niederösterreichische Sozialhilfegesetz, das morgen ohne jede Begutachtung in den Landtag kommen soll. Nachdem die 142 Stellungnahmen zum Sozialhilfe-Grundsatzgesetz weitestgehend unbeachtet geblieben sind, wäre es aus Sicht der Diakonie umso wichtiger, dass die Länder dieses Versäumnis nachholen und diejenigen hören, die den sozialen Alltag Betroffener kennen.



Für die Länder gibt es bedeutenden Spielraum. Alle Bereiche, die vom Grundsatzgesetz nicht berührt werden, können vom Landesgesetzgeber frei geregelt werden. Zudem hätte eine Begutachtung und ein dadurch ermöglichter Dialog die Qualität des Gesetzes verbessert. Es ist sinnvoll, Expertinnen und Experten zu hören, um etwaige höchstgerichtliche Aufhebungen und damit verbundene massive Rechtsunsicherheiten zu vermeiden. „Dass der niederösterreichische Gesetzgeber von diesem demokratisch wertvollen Instrument keinen Gebrauch gemacht hat, bedaure ich sehr", so Moser.



Selbstbestimmung sichern und Not abwenden



„Eine gute Sozialhilfe hilft uns allen, in einem sozialen und sicheren Land zu leben. Sie sollte ein Mindestmaß an Selbstbestimmung sichern und helfen Not abzuwenden", skizziert Moser die Ziele eines hilfreichen sozialen Netzes. Durch die Deckelung der Wohnkosten zu Lasten des realen Lebensunterhalts, die Abschaffung von Mindeststandards und Kürzungen bei Kindern seien eine große Zahl von Familien, aber auch Eltern mit prekärer Arbeit negativ betroffen. Niemand solle Angst haben müssen, in den sozialen Abgrund zu stürzen. „Anstatt die Situation jener, die es ohnedies schwer haben, zu verschärfen, wäre es gerade jetzt an der Zeit, Österreich armutssicherer zu machen", fordert die Diakonie-Direktorin.



Keine Hilfe bei höheren Wohnkosten: Tausende Notfälle zu befürchten



An zwei Beispielen macht die Diakonie ihre Sorge fest:





Es wäre wünschenswert, besondere Konstellationen von der Definition der Haushaltsgemeinschaft auszunehmen, so sollten etwa Notwohnungen für Frauen oder sozialpädagogisch betreute Wohngemeinschaften  gesondert definiert werden. Es ist zu befürchten, dass die Regelungen im niederösterreichischen Sozialhilfegesetz Notwohnungen und betreute Wohngemeinschaften treffen. 

 

Der Gesetzgeber in Niederösterreich hat keine weiteren Hilfen bei hohen Wohnkosten veranschlagt. Gerade dieser Ausgleich wurde von der Bundesregierung immer ins Treffen geführt, wenn es um die kaum leistbaren Mieten ging. „Wir haben während der Debatte um die Abschaffung der Mindestsicherung und Einführung der Sozialhilfe gefordert, Mindeststandards festzulegen und davor gewarnt, dass die Länder die im Gesetz festgelegten Höchstleistungen unterbieten könnten. Das tritt nun ein. Es sind tausende Notfälle zu erwarten bis hin zur Gefahr der Delogierung", warnt Maria Katharina Moser. Denn einerseits hat das Land nicht von der in § 5 Absatz 5 SH-GG eröffneten Möglichkeit einer Mehrzahlung bei tatsächlich höheren Wohnkosten Gebrauch gemacht, andererseits werden die Leistungen für alle volljährigen Beziehern, die in einer Mietwohnung leben, im Verhältnis 60:40 bemessen. Da nunmehr 40% zur Deckung der Wohnkosten vorgesehen sind und diese vorrangig als Sachleistung gewährt werden sollen, stehen Beziehern künftig nur mehr 60% des jeweiligen Richtsatzes tatsächlich zur Verfügung.

Sollten der Anteil von 40% nicht zur Deckung des tatsächlichen Wohnbedarfs ausreichen, müssen Personen unter Umständen von dem verringerten Betrag noch zusätzlich einen Teil für das Wohnen bezahlen.