Europäische Spaltung überwinden – gemeinsam Flüchtlingsaufnahme sichern

  • Pressemitteilung
15. Januar 2016

Zentraleuropäische Flüchtlingshilfsorganisationen kritisieren die europäische Antwort auf die Flüchtlingskrise



 



Gemeinsame Erklärung von zentraleuropäischen Mitgliedern des Europäischen Flüchtlingsrats ECRE in Wien, am 15. Januar 2016



„Wir, die Vertreterinnen und Vertreter der zentraleuropäischen Flüchtlingshilfe-Organisationen sind zutiefst besorgt über die unzureichende Reaktion Europas im Umgang mit der weltweiten Flüchtlingskrise", so die heute in Wien anwesenden Mitglieder des Europäischen Flüchtlingsrats ECRE. „Im Jahr 2015 haben wir Zäune statt Menschlichkeit, Chaos statt vernünftiger Politik und politischen Egoismus statt Solidarität und Zusammenarbeit gesehen".



Und sie deklarieren weiter: „Wir sind überzeugt, dass das Versagen Europas, Flüchtlinge in einer menschenwürdigen und solidarischen Weise aufzunehmen, die Idee des europäischen Integrationsprozesses in Frage stellt und die fundamentalen europäischen Werte verrät.



Wir sind entsetzt, dass die europäischen Regierungen auch weiterhin Schutzsuchenden nicht genügend sichere und legale Wege nach Europa bieten. In der Folge mussten sich im Jahr 2015 mehr als eine Million Flüchtlinge auf die lebensbedrohliche Überquerung des Mittelmeeres machen. Dies hatte den Tod von fast 3700 Männern, Frauen und Kindern im Mittelmeer und der Ägäis zur Folge.



Ohne sofortige Maßnahmen könnte sich die Situation im Jahr 2016 sogar verschlechtern. Wir fordern daher Europa auf, sichere und legale Einreisewege zur Schutzgewährung zu schaffen: Resettlement, humanitäre Aufnahmeprogramme, erweiterte Familienzusammenführung, Visaliberalisierung und die Beendigung von rechtswidrigen Rückschiebungen.



Flüchtlingshilfsorganisationen aus Österreich, Kroatien, der Tschechischen Republik, Deutschland, Ungarn, Polen, Slowakei, Slowenien und der Schweiz fordern die Europäische Union und die europäischen Staaten auf, ihre fatale Uneinigkeit in der Asylpolitik zu überwinden. Die Regierungen sollten unverzüglich ein System der schnellen Registrierung und Identifikation errichten, das auch rasche humanitäre Hilfe inkludiert, auch an EU-Außengrenzen.



Korrekte Identifikation von besonderem Schutzbedarf sowie die Berücksichtigung bereits bestehender Anknüpfungspunkte von Flüchtlingen in bestimmten EU-Staaten müssen Bestandteil des neuen gemeinsamen Systems sein.



Unsere Vision ist, dass die gesamte Region Zentraleuropa ein einladender Ort für Flüchtlinge wird. Jedes Land in der Region muss in fairer Weise Verantwortung für die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen tragen -  unter Anwendung harmonisierter Standards. Bis dies der Fall ist, muss für Schutzsuchende der Weg über die Balkanroute offen bleiben, unabhängig von ihrem Herkunftsland.



Überall in Zentraleuropa gibt es einen starken Trend zu rassistischen und populistischen politischen Bewegungen. Auch Fremdenfeindlichkeit wird zunehmend zu einem gefährlichen Mainstream. Die Terroranschläge in Paris und die Gewalt in Köln am Silvesterabend werden ausgenutzt, um den Verdacht auf hunderttausende von unschuldigen Flüchtlingen zu lenken. Sicherheitsmaßnahmen sollten ohne Gefährdung der Menschenrechte und -würde ergriffen werden.



Alle zentraleuropäischen Staaten müssen zusammenarbeiten, um ihre rechtlichen und humanitären Pflichten zu erfüllen und das Asylrecht gerade in einer Region zu schützen, die im letzten Jahrhundert Millionen von Flüchtlingen zu verantworten hat.



Wir rufen unsere Regierungen auf, fairen und transparenten Zugang zu den nationalen Asylsystemen zu gewährleisten, sei es auf dem Meer, an Land oder an Flughäfen".