Neu! Besser! Billiger! Soziale Innovation als leeres Versprechen?
- Pressemitteilung
Heute erschienenes Buch setzt sich mit Bedeutung, Wirkung und Ideologie „sozialer Innovation" auseinander.Alte Menschen pflegen, Flüchtlinge betreuen oder Kinder unterrichten: „soziale Innovation" ist mittlerweile unverzichtbar – zumindest am Etikett. Der Begriff „soziale Innovation" ist mit der Finanzkrise auf der öffentlichen Bühne Europas erschienen. „Doch was verbirgt sich hinter diesem Modewort?", fragen Michaela Neumayr, Assistenz-Professorin an der Wirtschaftsuniversität Wien, Ökonomin Katharina Meichenitsch und Sozialexperte Martin Schenk in ihrem heute erschienen Buch.
Wer definiert „soziale Innovation" im Bereich sozialer Dienstleistungen, wer bringt sie hervor und wer profitiert davon? Reformieren, retten, verbessern „soziale Innovationen" den Sozialstaat? Oder wird das Konzept verwendet, um die Kommerzialisierung und Vermarktlichung von Pflege und Sozialarbeit voranzutreiben?
„Die Konjunktur der sozialen Innovation ist ein Krisenphänomen", argumentieren die drei HerausgeberInnen des Buches. Ausgehend von der Finanzkrise waren die sozialen Verwerfungen in Europa Wegbereiter für den Höhenflug des Konzeptes. Die Idee, sozial zu sein, ohne Verteilungs- und Machtfragen zu stellen, das Ansinnen, sozial zu sein, ohne die Kürzungen des Sozialstaats stoppen zu müssen, das Vorhaben, sozial zu sein, ohne Austerität in Frage zu stellen – all das machte das Konzept attraktiv. Die Vagheit und Unbestimmtheit des Begriffs ermöglicht gleichzeitig mit sozialer Tarnkappe in Dienstleistungsbereiche vorzudringen, in denen Kommerzialisierung bislang – aus guten Gründen – nicht Platz gegriffen hat.
Die insgesamt 20 AutorInnen aus Wissenschaft und Praxis machen auf die verschwiegenen Probleme aufmerksam: Hinter der Verwendung des Etiketts der sozialen Innovation verbirgt sich auch ein gerütteltes Maß an Ideologie: Was unter der Fahne der „Innovation" segelt, bietet bei näherer Betrachtung oft nichts Neues unter der Sonne. „In diesem Neuigkeitswahn werden Gegenwartskrisen nicht aus begangenen Irrtümern, Fehlentwicklungen oder Fehlentscheidungen erklärt", argumentiert in seinem Beitrag der Philosoph K.P. Liessmann. „Krisen sind in einer solchen Lesart immer und ausschließlich Resultate eines Neuigkeitsmankos." Es war zu wenig Neu.
„Für gute soziale Dienstleistungen und den konkreten Menschen sollte aber gelten: Es geht um das BessereDie Frage nach dem Neuen hat hier die alten Fragen nach der Wirklichkeit und die Fragen nach dem guten Leben abgelöst. Was nicht neu ist, oder nicht als neu präsentiert werden kann, hat keinen Wert – und sei es auch noch so gut oder noch so funktional. „Für gute soziale Dienstleistungen und den konkreten Menschen sollte aber gelten: Es geht um das Bessere", rufen Neumayr, Meichenitsch und Schenk in Erinnerung. „Verbessern soziale Leistungen durch ihren Gebrauch das Leben der Menschen, so ist es unerheblich, ob diese im Nachhinein als innovativ tituliert werden", fassen die HerausgeberInnen zusammen. „Das Neue allein ist jedenfalls nicht gut genug. Für Obdachlosenbetreuung, Flüchtlingsarbeit, Pflege oder Bildung ist nicht das Neue, sondern das Bessere entscheidend."
Im Band gibt es Beiträge von: Jens Aderhold, Gudrun Bauer, Gotthard Bechmann, Nikolaus Dimmel, Georg Feigl, Marcel Fink, August Gächter, Franka Godina, Philipp Hammer, Karin Heitzmann, Konrad Paul Liessmann, Michaela Moser, Andreas Novy, Astrid Pennerstorfer, Oliver Prausmüller, Judith Pühringer, Martin Schenk, Alice Wagner, Thomas Wagner und Carla Weinzierl.
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