Reform der Flüchtlings-Unterbringung und Betreuung dringend angehen

  • Pressemitteilung
17. Juni 2020
Die Diakonie legt zum Weltflüchtlingstag Vorschläge zur Reform der Bundesbetreuung vor

Die Diakonie legt zum Weltflüchtlingstag Vorschläge zur Reform der Bundesbetreuung vorAsylwerberInnen bekommen, nachdem sie einen Asylantrag gestellt haben, eine Bleibe in einem Großquartier zugewiesen. „Diese Beherbergung von Asylsuchenden in Quartieren des Innenministeriums wird den Anforderungen an eine menschwürdige und auch rechtskonforme Unterbringung nicht gerecht", kritisiert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser.



Ab 1. Dezember 2020 wechselt neben der Rechtsberatung im Asylverfahren auch die Zuständigkeit für Bundesbetreuungsquartiere zur Betreuungsagentur des Bundes (BBU). „Dieser Wechsel könnte zu einer nachhaltigen Reform der Flüchtlingsunterbringung beitragen", hofft Moser. „Es ist wichtig, jetzt darüber nachzudenken, welche Art des Wohnens und der Betreuung die Menschen, die in Österreich um Schutz ansuchen, tatsächlich brauchen", so Moser.



Besonders schutzbedürftige Menschen brauchen andere Formen der Unterbringung und Betreuung



Unter den Neuankommenden sind viele Menschen, die „besonders schutzbedürftig" sind, wie es die EU-Aufnahmerichtlinie nennt. Personen, die etwa Folter, Vergewaltigung oder andere Formen schwerer psychischer, körperlicher oder sexueller Gewalt erlitten haben, aber auch Schwangere, Ältere und Gebrechliche, Menschen mit Behinderungen oder unbegleitete Minderjährige. Dazu kommen Personen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität besonders geschützt werden müssen. Sie alle sind entsprechend ihren Bedürfnissen unterzubringen und zu betreuen.



Das bisherige Unterbringungssystem war und ist diesen Anforderungen kaum gewachsen. Es ist ein sehr träges, bürokratisches System, das mit „Betreuung" im Wortsinn noch nie viel zu tun hatte.



Diakonie-Vorschläge für ein modernes Betreuungskonzept der Bundesagentur



"Es wäre wichtig, dass die Bundesagentur nun Hand in Hand mit den Bundesländern ein neues Betreuungskonzept entwickelt", fordert die Diakonie und schlägt dafür vier Phasen vor: Die Abklärung des Betreuungsbedarfs, die angemessene Unterbringung, die dazu passende individuelle Betreuung und ein regelmäßiges „Update".



Die erste Phase legt dabei die Aufmerksamkeit auf ein ausführliches und vertrauliches Aufnahmegespräch unmittelbar nach Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung. In diesem Gespräch muss die individuelle Vorgeschichte erhoben und festgestellt werden, ob die Person einen besonderen Betreuungsbedarf hat oder aufgrund anderer Merkmale besonders geschützt werden muss.



In einer zweiten Phase muss dann eine Form der Unterbringung ermittelt werden, die den Bedürfnissen der jeweiligen Person am ehesten entspricht. So ist es zum Beispiel sinnvoll, eine alleinstehende Frau mit Kleinkind gemeinsam mit anderen alleinstehenden Frauen unterzubringen. „Für die Betreuung entsteht dadurch kein Mehraufwand, für das Sicherheitsgefühl und das Wohlbefinden der Frau macht das aber einen großen Unterschied", betont die Diakonie Direktorin.



Für Frauen, die Gewalt erleiden mussten, sollte es Zugang zu Gewaltschutzeinrichtungen geben. Für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und/oder physischen Beeinträchtigungen braucht es spezielle Quartiere mit ausreichend Fachpersonal. Und für allein reisende Kinder und Jugendliche braucht es endlich Unterkünfte, die den Betreuungsstandards der Kinder und Jugendhilfe entsprechen. „Es kann und darf in der Betreuung keinen Unterschied machen, ob ein Kind als Flüchtling nach Österreich gekommen oder ob es hier aufgewachsen ist", so Moser.



Auf die Unterbringung in Quartieren, die dem jeweiligen Betreuungsbedarf entsprechen, sollte eine Phase 3 folgen: Eine Evaluierung und Neubewertung der Unterbringung im Einzelfall und ein allfälliges „Update", das eine regelmäßige Anpassung im Wohn- und Betreuungsbedarf ermöglicht.



Hier muss es die Möglichkeit geben, dass Menschen in kleinere, individuelle Unterbringungsformen wechseln können. Denn während es unmittelbar nach der Ankunft in Österreich sinnvoll sein kann, Menschen in größeren Einheiten unterzubringen, da sie intensivere Betreuungsangebote benötigen, ist zu einem späteren Zeitpunkt eine individuellere Unterkunft sinnvoll.



Lang erprobte Beispiele für gute Unterbringung und Betreuung



Der Diakonie ist es wichtig, Unterbringungsformen anzubieten, die den BewohnerInnen größtmögliche „Normalität" bieten. Schon vor Jahren wurde daher eine große Flüchtlingsunterkunft aufgelöst, und seither werden die Asylsuchenden in Wohnungen betreut, die über ganze Stadtgebiete verteilt sind. Besonders für Menschen, die oft Jahre auf ihren Asylbescheid warten, ist es wichtig, dass sie in der Mitte der Gesellschaft leben können.



Im Rahmen der Grundversorgung durch die Bundesländer bietet die Diakonie seit vielen Jahren auch spezialisierte Betreuung für besonders vulnerable Personengruppen an. Als gutes Beispiel können hier Wiener Flüchtlingshäuser der Diakonie genannt werden, in denen sowohl Personen mit erhöhtem Betreuungsbedarf aufgrund psychischer oder physischer Erkrankungen wohnen, wie auch Asylsuchende ohne höhere Betreuungsanforderungen.



Keine Isolation in abgelegenen Quartieren - Kontaktmöglichkeiten für engagierte UnterstützerInnen



„Wichtig ist auch, dass in den neuen Aufnahme-Einrichtungen des Bundes auch ein professionelles externes Freiwilligenmanagement gibt", fordert die Diakonie. Der Zugang für zivilgesellschaftliche Organisationen und engagierte Bürger und Bürgerinnen muss möglich sein, damit die dort lebenden Menschen Unterstützung beim Start in ihr neues Leben bekommen", so Moser abschließend.



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