Soziales Netz muss gerade dann halten, wenn man es am meisten braucht

  • Pressemitteilung
22. Mai 2015

Sozialorganisationen warnen vor negativen Auswirkungen von Kürzungen bei Ermessensausgaben und innovativer Sozialpolitik



„Das soziale Netz muss gerade dann halten, wenn man es am meisten braucht." Mit Sorge verfolgen Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz, und Volkshilfe, die im Budget veranschlagten Kürzungsvorschläge im Sozialen. „Kürzungen bei den sog. Ermessensausgaben treffen Beratungsstellen für Menschen in Not, Hilfe für pflegende Angehörige, Demenzberatung und Integrationsmaßnahmen", warnt Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich.



Das betrifft die Wärmestube, die dem Wohnungslosen bei Minusgraden zur Verfügung steht. Das Frauenhaus, in dem die von häuslicher Gewalt betroffene Frau und ihr Kind Zuflucht finden. Das Lernprogramm, mit dessen Hilfe Jugendliche ihren Pflichtschulabschluss schaffen. Das Kriseninterventionszentrum, die Behinderteneinrichtung, die Beratung für Scheidungs- und das Sommercamp für Asthmakinder ...  Sie alle werden zumindest zum Teil aus öffentlichen Mitteln gefördert, die nicht fix in Budgets verplant, sondern eben Ermessensausgaben sind.



„Reiche Menschen merken Kürzungen gar nicht, diese Menschen sehr wohl. Scheinbar kleine Einsparungen richten hier großen Schaden an. Es ist ein Unterschied, ob kostenlose Nachmittagsbetreuung angeboten werden kann oder nicht, die Behindertengruppe auf Urlaub fahren kann oder nicht. Das bedeutet einen traurigen Verlust an Lebensqualität für die Betroffenen", so Volkshilfe Bundesgeschäftsführer Erich Fenninger.



 Innovationsmotor



„Ermessensausgaben machen oft erst Innovationen in der Sozialpolitik möglich. Denn wir zivilgesellschaftliche Organisationen sind Spezialisten für kleine Zielgruppen: Nahe am Menschen, kennen wir seine Bedürfnisse und entwickeln neue, wirksame Lösungen", so Michael Opriesnig, stv. Generalsekretär des Österreichischen Roten Kreuzes. Viele dieser Modelle werden dann von der öffentlichen Hand als Standardanbieter für große Zielgruppen übernommen. Auf der Basis dieser Logik sind zahlreiche heute selbstverständliche Dienstleistungen entstanden – gerade auch zukunftsweisende: Die mobile Pflege und Betreuung, neue Wohnformen für pflegebedürftige Menschen oder Hospizangebote.



Jobmotor, Wertschöpfung, Ausgleich



„Soziale Dienstleistungen schaffen Jobs, tragen zur Wertschöpfung bei, geben der Gesellschaft doppelt und mehrfach zurück", weist Bernd Wachter, Generalsekretär der Caritas Österreich, auf die Bedeutung der sozialen Arbeit hin. Der gemeinnützige Sektor hilft wirtschaftlich strukturschwachen Regionen, macht Vereinbarkeit von Beruf und Familie möglich, hebt Haushaltseinkommen, entlastet Angehörige, trägt zum sozialen Ausgleich bei.



Die Anzahl der Vertragsverhältnisse im NonProfit-Sektor (NPO) stieg zwischen dem Jahr 2000 und 2010 um rund 39% an, das Wachstum fand vor allem in den Bereichen „Kindergärten" (93% Zunahme) und Soziales (76%) statt. Im Vergleich dazu stieg in diesem Zeitraum die unselbständige Beschäftigung in Österreich insgesamt um bloß 7%, so die Daten der Statistik Austria.



„Der Beschäftigungsmultiplikator für den Gesundheits- und Sozialbereich zeigt die hohe Beschäftigungswirkung von NPOs", ergänzt Walter Marschitz, Bundesgeschäftsführer Hilfswerk Österreich. Die Erhöhung der Nachfrage nach Dienstleistungen um 1 Mio. Euro schafft 17 Arbeitsplätze, also mehr als in fast allen anderen Branchen. Nach dem Einzelhandel und sonstigen Dienstleistungen ist die Sozialwirtschaft somit der Bereich mit der drittstärksten Beschäftigungswirkung. „Der Beitrag zur volkswirtschaftlichen Wertschöpfung liegt vorsichtig geschätzt bei mindestens € 6,32 Mrd. und damit ca. 4% des BIP. 6,2% aller unselbständig Beschäftigen arbeiten in NPOs, zählt man den Anteil der ehrenamtlichen Arbeit hinzu, erhöht sich dieser Wert auf fast 25% der insgesamt in Österreich geleisteten unselbständigen Arbeit", so Marschitz.



Daher appellieren die großen Sozialorganisationen der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG), bei Ermessensausgaben im Sozialen nicht zu streichen. „Das bringt viel menschliches Leid und hohe soziale Folgekosten", so die Kritiker.