Tragödie von Lampedusa kein Einzelfall. 20% der Flüchtlinge überleben ihre Flucht nicht

  • Pressemitteilung
04. Oktober 2013

Sichere Korridore für Flüchtlinge schaffen



Tiefe Betroffenheit, Trauer und Enttäuschung über eine fehlgeleitete europäische Asylpolitik löste die Nachricht über vermutlich mehr als 300 Kinder, Frauen und Männer aus, die gestern vor Lampedusa ihr Leben lassen mussten.



Diese Toten sind eine Schande für ein Europa, das sich zu Menschenrechten und Humanität verpflichtet fühlt. Und diese Tode sind sinnlos. Die Diakonie fordert die Schaffung legaler Möglichkeiten für Flüchtlinge in sichere Länder zu gelangen. „Es ist unerträglich, dass 20 Prozent der Flüchtlinge heute ihre Flucht nicht überleben, weil sie im Meer oder in den Grenzflüssen ertrinken", kommentiert Michael Chalupka, Direktor der Diakonie Österreich die aktuelle Tragödie im Mittelmeer.



Noch in den achtziger Jahren kamen etwa 90 Prozent aller Asylsuchenden legal nach Westeuropa, in die angestrebten Asylländer. Heute sind über 90 Prozent aller Asylwerber zur irregulären Einreise gezwungen*. Sie flüchten über das Meer, über Flüsse, oder kommen mit gefälschten Papieren per Flug. In beinahe jedem Fall sind sie jedoch auf die Hilfe von bezahlten Schleppern oder Fluchthelfern angewiesen. „Heute müssen wir statistisch von einer Überlebensquote von nur mehr 80 Prozent ausgehen", so Chalupka.



In den letzten 20 Jahren wurden viele Milliarden Euro in das Programm zur „Bekämpfung der illegalen Einwanderung, der organisierten Kriminalität, des Schlepperwesens und des Terrorismus" der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX investiert. Die Folge davon ist einerseits eine beinahe hermetisch abgeriegelte „Festung Europa", andererseits aber ein rasanter Anstieg der Schlepperkosten, da die höheren Sicherungshürden die Überwindung dieser „Festungsmauern" immer gefährlicher und damit auch für die Schlepper aufwändiger macht.



„Wer die Schlepperei effizient bekämpfen will, muss Möglichkeiten schaffen, dass Flüchtlinge auf legalem Weg Sicherheit und Schutz erhalten können", betont Chalupka und regt dringend an, „diese Todes- und Schlepperkriminalitätsspirale zu durchbrechen" und sich wesentlich massiver als bisher für geschützte Einreisemöglichkeiten nach Europa zu engagieren: „Dies sollte einerseits durch eine Beteiligung am weltweiten Resettlement**-System erfolgen, bei dem aus zumeist völlig überfüllten Flüchtlingslagern in den Nachbarländern, Flüchtlinge, die bereits durch das UN Flüchtlingshilfswerk UNHCR als Flüchtlinge anerkannt wurden, ausgeflogen werden. Andererseits durch das Zulassen von Asylanträgen in den Botschaften und europäischen Vertretungsbehörden, wie es in der österreichischen Asylpolitik früher gute Tradition war."



„Österreich, das seine Vergangenheit als sicherer Hafen in den großen Flüchtlingswellen nach dem 2. Weltkrieg betont, sollte mit der Einführung dieser geschützten Einreisemöglichkeiten einen wirksamen und zeitgemäßen Beitrag zum Schutz von Flüchtlingen leisten", so Chalupka abschließend.



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* Daten des Italienischen Flüchtlingsrats



** Resettlement bezeichnet die direkte Einreise und Wiederansiedlung von Flüchtlingen aus Krisenregionen. Von der EU wird die Wiederansiedlung von Flüchtlingen finanziell maßgeblich (6.000 Euro pro Person im ersten Jahr, 5.000 und 4.000 in den Folgejahren) unterstützt