Pflege und Betreuung haben hohen Wert für unsere Gesellschaft

  • Pressemitteilung
13. April 2022
Karwoche ist Care-Woche: Wie willst du leben? Wie willst du pflegen? Wichtige Fragen für die ausstehende Pflegereform

Unter dem Motto "Karwoche ist Care-Woche" rückt die Diakonie den Wert und die gesellschaftliche Notwendigkeit von Sorgearbeit ins Zentrum: "Pflegen, erziehen, betreuen, versorgen, trösten - diese Tätigkeiten sind das Schmiermittel, das unsere Wirtschaft und Gesellschaft am Laufen hält. Stellen wir uns vor, was passieren würde, wenn die vielen Frauen und zunehmend mehr Männer aufhören, Kinder zu betreuen, Menschen im Alter zu pflegen oder Menschen mit Behinderungen zu assistieren. Und doch bekommt die Care-Arbeit nicht die gesellschaftliche Wertschätzung, die sie verdient", kritisiert Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und verweist darauf, dass sich in Sachen Pflegereform nichts bewegt.

Pflegekräfte aus der Diakonie berichten

Für Johannes Strasser, Hausleitung einer Pflegeeinrichtung der Diakonie für Menschen im Alter, ist eine individuelle Begleitung maßgeblich: „Wir wollen unseren Bewohner:innen die höchstmögliche Lebensqualität bieten und ein Wohnumfeld schaffen, in dem sie sich wohlfühlen. Uns ist es wichtig, Menschen im Alter so zu begleiten, dass sie ein gutes, selbstbestimmtes Leben führen können. Das bedeutet zum Beispiel, Bewohner:innen zu unterstützen, ihre persönlichen Fähigkeiten so lange wie möglich zu erhalten.“

Selbstbestimmung und Autonomie sind auch die leitenden Prinzipien in der Begleitung von Menschen mit Behinderungen. „Es geht darum Bedürfnisse gut zu erkennen und zu fördern“, meint Elke Birklbauer, Leiterin einer Wohneinrichtung der Diakonie für Menschen mit Behinderungen. Gerade in der Begleitung von Bewohner:innen, die ihr Bedürfnisse nicht äußern können, sei Kreativität gefragt: „Vieles muss ausprobiert werden – wie reagiert ein:e Bewohner:in auf welche Musik, wie auf welchen Geruch.“

Die Anforderungen sind angestiegen, wir begleiten zum Beispiel mehr Personen mit Demenz. Leider steht uns dafür aber nicht mehr Personal zur Verfügung. Die Personalschlüssel sind seit Jahrzehnten nicht angepasst worden.

Johannes Strasser

Gute Pflege und Betreuung braucht Zeit

Genug Zeit sei eine professionelle Anforderung an Sorge-Arbeit, sind sich Strasser und Birklbauer einig. Denn: "Care-Arbeit geht weit über körperliche Versorgung hinaus. Sie bedeutet ganzheitliche Begleitung und erfordert ein hohes Maß an Beziehungsarbeit. Genau das macht den Beruf auch so spannend", erklärt Johannes Strasser. Und Elke Birkelbauer ergänzt: "Gute Pflege und Betreuung heißt für mich, am Ende des Tages nach Hause zu gehen und das Gefühl zu haben, alle Bewohner:innen so begleitet zu haben, wie sie es brauchen. Das bedeutet zum Beispiel im Tempo der jeweiligen Klient:in zu arbeiten und auf individuelle Vorlieben und Wünsche eingehen zu können.“

Doch gerade Zeit ist ein knappes Gut im aktuellen System. Strasser ist schon seit vielen Jahren in der Pflege tätig und berichtet, dass die Belastungen zugenommen haben - nicht erst durch Corona: „Die Anforderungen sind angestiegen, wir begleiten zum Beispiel mehr Personen mit Demenz. Leider steht uns dafür aber nicht mehr Personal zur Verfügung. Die Personalschlüssel sind seit Jahrzehnten nicht angepasst worden.“ 

Pflegereform: Personaloffensive hat Priorität

Bessere Personalschlüssel sind eine zentrale Forderung, die Fachkräfte erheben, wenn es um die Pflegereform geht. Mehr Personal bedeutet mehr Zeit für die einzelnen Klient:innen, aber auch bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. persönlichem Leben. Denn wenn es genug Personal gibt, ist es leichter zu managen, wenn Kolleg:innen ausfallen, die Dienstplansicherheit verbessert sich.

Doch kämpft der soziale Sektor jetzt schon mit Personalmangel. Und bis 2030 brauchen wir in Österreich 80.000 bis 100.000 zusätzliche Pflege- und Betreuungskräfte. Eine Personaloffensive sei daher prioritär, sagt Diakonie-Direktorin Moser und drängt auf eine rasche Umsetzung des angekündigten Ausbildungsfonds. Neben der Übernahme der Ausbildungskosten fordert die Diakonie ein Ausbildungsgehalt, um allen Interessierten eine Ausbildung in Pflege- und Betreuungsberufen zu ermöglichen. „Solange die Ausbildung nicht für alle leistbar ist, brauchen wir uns über den Personalmangel in Pflege und Betreuung nicht zu beschweren“, so Moser. 

Ein weiterer Schlüssel zur Verbesserung sei die Überarbeitung der Pflegegeldeinstufung. Die Einstufung orientiert sich großteils an den körperlichen Gebrechen. Demenz und soziale Teilhabe seien zu wenig berücksichtig.

Kar-Woche ist Care-Woche

Die Vorsilbe „Kar“, die wie eine Überschrift über der Woche vor dem Osterfest steht, kommt vom Althochdeutschen „Kara“ – Klage, Trauer, Sorge, das verwandt ist mit dem Englischen care – sorgen, fürsorglich sein, Sorgearbeit leisten. Die Diakonie greift diesen Zusammenhang auf und ruft dazu auf, am morgigen Karfreitag den Wert der Sorgearbeit in den Blick zu nehmen.

Care-Arbeit ist überwiegend Frauen-Arbeit

Care-Arbeit wird Großteils von Frauen geleistet.  Weltweit verrichten Frauen drei Viertel der unbezahlten Sorgearbeit – über 12 Milliarden Stunden täglich. In Österreich hängt sie zu zwei Drittel an den Frauen. Drei Viertel der 950.000 pflegenden Angehörigen sind weiblich. Würde die weltweit unbezahlt geleistete Sorge-Arbeit mit Mindestlohn bezahlt, entspreche das jährlich 11 Billionen US Dollar. In Österreich macht die unbezahlte Arbeit umgerechnet 105 Milliarden Euro im Jahr aus (etwa 30 Prozent des BIP).

Auch die bezahlte Care-Arbeit ist vorrangig Frauen-Arbeit. Zwei Drittel der Care-Arbeiter:innen weltweit sind Frauen. In Österreichs Krippen und Kindergärten liegt der Männeranteil bei rund zwei Prozent. 86% der über 60.000 Person in der Langzeitpflege und -betreuung sind weiblich.

Soziale Investitionen schaffen krisensichere Jobs. In der Wirtschaftskrise 2008/09 ist die Beschäftigung etwa in der Autoindustrie und im Baugewerbe gesunken – im sozialen Sektor ist sie gestiegen, EU-weit um 16%. Und 70 % der Ausgaben für die Pflege fließen via Steuern und Sozialversicherung wieder an die öffentliche Hand zurück.

Ihre Ansprechperson zu dieser Pressemitteilung

Dr.in Roberta Rastl-Kircher
Pressesprecherin & Medienarbeit