Die COVID-Pandemie macht nicht alle gleich

  • Kommentar
12. Juni 2020
Während nach dem ersten Corona-Lockdown in Österreich und in anderen europäischen Ländern die Infektionszahlen zurückgehen und das wirtschaftliche und kulturelle Leben wieder hochgefahren wird, sind weltweit viele Länder weiterhin mit steigenden Infektionszahlen und Todesfällen konfrontiert.

Ein Beitrag von MMagª Aleksandra Kolodziejczyk, Expertin bei Brot für die Welt Österreich

In Österreich konnten die Auswirkungen des Lockdowns zu großen Teilen durch finanzielle Geldspritzen und Maßnahmen des Staates abgefedert werden. In vielen anderen Staaten müssen Menschen die Folgen der Pandemie und ihrer Eindämmungsmaßnahmen alleine schultern.

Besonders betroffen sind jene, die bereits vor der Pandemie täglich ihr Überleben sichern mussten und benachteiligt beim Zugang zu sozialen Dienstleistungen waren. Frauen sind nicht nur durch ihren hohen Anteil an Arbeitskräften im Gesundheitswesen wie auch im sozialen Sektor (weltweit 70 Prozent) einem erhöhtem Risiko ausgesetzt. Frühere Epidemien zeigen auch, dass Frauen den Löwinnenanteil der negativen Konsequenzen tragen. Dies geschieht unter anderem durch den Anstieg an zusätzlicher unbezahlter Arbeit und durch die Zunahme an häuslicher und sexueller Gewalt gegen Frauen. Von häuslicher Gewalt und den gesundheitlichen Auswirkungen der Präventivmaßnahmen sind besonders auch Frauen und Mädchen mit Behinderungen betroffen - 19,2 Prozent der weiblichen Gesamtbevölkerung. Durch Ausgangssperren werden sie von gesundheitlichen Dienstleistungen und dem Zugang zu Medikamenten abgeschnitten. Frauen und Mädchen, die häusliche Gewalt erleben, hindern Bewegungseinschränkungen daran Unterstützung zu erhalten, Anzeige zu erstatten oder Schutz zu finden.

Der Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass die COVID-Pandemie auch den Zugang zur medizinischen Versorgung in Bezug auf sexuelle und reproduktive Gesundheit bedroht. Akut betroffen sind unter anderem Schwangere und Gebärende sowie Menschen mit HIV. Es besteht die Gefahr, dass die Müttersterblichkeit in Ländern mit ohnehin unzureichender medizinischer Versorgung stark ansteigt, da Ausgangsbeschränkungen, Zugang zu Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft und Geburtshilfe erschweren. Manche Frauen haben auch Bedenken, dass sie sich während Untersuchungen oder Geburten in Krankenhäusern anstecken könnten. Da Frauen und Mädchen überproportional stark von der Pandemie getroffen werden, braucht es auch geschlechtersensible Maßnahmen und eine langfristige Strategie zur Beseitigung der multiplen Benachteiligungen.

UN-Women zufolge muss bei der Erarbeitung von Reaktionsplänen besonderes Augenmerk auf fünf Bereiche gelegt werden:

  • geschlechtsspezifische Gewalt, die im Rahmen von Maßnahmen zur Eindämmung von Pandemien ansteigt.
  • Arbeitslosigkeit und die wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Lebensunterhalt der ärmsten Frauen und Mädchen.
  • Die ungleiche Verteilung von Pflege- und Hausarbeit. 
  • Frauen und Mädchen sollten in die Maßnahmenplanung einbezogen werden, insbesondere jene von den am meisten benachteiligten Gruppen.
  • In politische Reaktionsmechanismen sollten geschlechtsspezifische Analysedaten oder geschlechtsspezifischen Pläne integriert werden.

Damit sich die COVID-Pandemie nicht langfristig zum Nachteil der am meisten vulnerablen und benachteiligten Menschen auswirkt, braucht es jetzt vielerorts ein Umdenken und politische Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit, Rechtstaatlichkeit und Demokratie.