Gemeinsam schmeckt das Leben besser!
- Story
Gemeinsam gegen Einsamkeit
Immer mehr Menschen fühlen sich in unserer Gesellschaft einsam – ein unfreiwilliger Zustand, der emotional belastet und depressiv machen kann. Auf Dauer sogar körperlich krank macht, so neueste medizinische Erkenntnisse. Der Diakonie eine Welt Sozialdienst bietet mit dem Projekt „GemEinsam“ verschiedene Formate an, bei denen sich Menschen niederschwellig begegnen und Anschluss finden können.
Einsamkeit kann jeden treffen, egal welches Alter oder welche Herkunft
Die Gründe für Einsamkeit sind vielfältig. Zum einen sind gesellschaftliche Phänomene, wie die zunehmende Digitalisierung ein großer Faktor, der Einsamkeit begünstigt. Hier sind gerade junge Menschen besonders betroffen. Aber auch persönliche Veränderungen wie ein Umzug, Jobwechsel/-verlust oder Krankheiten ebnen den Boden für dieses gesellschaftsübergreifende Phänomen. Besonders im Alter gibt es viele einschneidende Veränderungen, wie beispielsweise der Tod von geliebten Menschen, Pensionsantritt oder Krankheiten, die die Mobilität einschränken oder soziale Treffen erschweren. Auch Demenz, Hörprobleme, Depressionen machen die Begegnung mit andere diffizil. Eine weitere Barriere entsteht im Kontext der Migration. Wer die Sprache nicht beherrscht und nicht ausreichend kommunizieren kann, fühlt sich automatisch ausgeschlossen. Oder es fehlt das nötige Kleingeld, um an Aktivitäten teilzunehmen. Und sei es nur ein Kaffeehausbesuch. Scham und Rückzug sind die Folgen und eine Abwärtsspirale beginnt.
Essen verbindet
Das wissen nicht nur unserer Großmütter, sondern auch viele Jugendliche, die sich unter dem Hashtag #lonelinesspandemic organisiert haben und gemeinsam gegen Einsamkeit kämpfen. Mit Pudding und einer Gabel. Ein Social Media Trend, bei dem sich junge Leute „in real life“ treffen und Pudding essen (mit einer Gabel, damit´s spannender wird). Gemeinsam gegessen wird auch beim Kekse backen im Rahmen von „GemEinsam“. Im Jugendzentrum in Kaiserebersdorf können Leute aus der Umgebung (aber auch von weiter weg) in geselliger Runde Adventstimmung erleben, ihre Lieblingsrezepte austauschen, zusammenbacken und am Ende gemeinsam genießen und verkosten. Bei einem Besuch vor Ort erfahren wir mehr über die Teilnehmer:innen, aber auch die geheimen Tricks des Keksebackens.
Ein 72-jähriger Mann reist sogar extra mit dem Zug aus Wiener Neustadt an. Über eine Stunde dauert die Anfahrt. Doch es lohnt sich, denn hier hat er interessierte Zuhörer:innen und Verkoster:innen, wenn er seine geheimen Keksrezepte preisgibt.
Karin Pertel und ihr Team konzipieren und organisieren diese Treffen. Das Projekt „GemEinsam“ wurde aus dem Plaudertischerl heraus entwickelt und wird bis Ende Oktober 2026 laufen. Fokus des Projektes ist Präventionsarbeit.
Eine Umarmung abholen
Karin erzählt: „Es ist schön zu beobachten, wie sich über die Zeit eine Gemeinschaft entwickelt und die Leute Vertrauen fassen und immer wieder kommen.“ Auch eine junge Frau mit Migrationsbiographie kommt immer gerne: „Hier habe ich eine Art Ersatzfamilie gefunden und kann mir immer eine Umarmung abholen!“ Bei dem Adventstermin fragt Karin, auf welche Weise die Teilnehmer:innen Heiligabend verbringen und was für Traditionen hochgehalten werden. Ein rege Diskussion über die besten, aber auch unkompliziertesten Weihnachtsessen ist entfacht und die Teilnehmer:innen geben sich gegenseitig Geschenktipps für ihre Familien, die oft weit weg wohnen oder wo der Kontakt immer mehr einschläft.
F. aus Wiener Neustadt erzählt, dass er neulich eine Untersuchung im Krankenhaus hatte, bei der er narkotisiert wurde. „Wie soll ich denn danach nach Hause kommen. Ich mache mir viele Gedanken, wie das wird, wenn ich körperlich mal nicht mehr so fit bin, aber niemand für mich da ist.“ Manche Themen gehen tief und machen betroffen, aber dafür ist hier auch Raum. Denn viele haben ähnliche Themen und Erfahrungen. Karin und ihr Team können deshalb mit konkreten Tipps weiterhelfen, welche Stellen man aufsuchen soll, wenn man alleine den Alltag nicht mehr bewältigen kann und wie man für sich alleine im Alter vorsorgen kann.
Es ist eine sehr herzliche Runde, Umarmungen werden gegeben, Kekse familiär geteilt. Auch wenn manche von den Teilnehmer:innen Weihnachten alleine verbringen, ist das Gefühl von Einsamkeit vielleicht ein bisschen weniger zu spüren, weil sie wissen, dass es Menschen gibt, denen es ähnlich geht und weil sie schon für das nächste Jahr ein weiteres Treffen ausgemacht haben.
Begegnung ist gesund!
Beim Projekt „GemEinsam“ gibt es zahlreiche Angebote, die junge wie alte Menschen abholen und zusammenbringen sollen – auf eine niederschwellige Art und Weise, ohne Anmeldung und Verpflichtung, offen für jeden. Dabei gibt es Sprachcafés, wo einfach nur die Konversation und das Deutschlernen im Vordergrund stehen, aber auch Führungen durch den Bezirk oder Infoabende, bei denen das Thema Einsamkeit auf medizinischer Ebene angesprochen wird.
Unter dem Motto „Begegnung ist gesund!“ hat im Pfarrzentrum in Kaiserebersdorf am Internationalen Tag der psychischen Gesundheit ein Vortrag stattgefunden, bei dem die psychiatrische Krankenpflegerin Edith Gelbmann wichtige Impulse zum Zusammenhang von Einsamkeit und Gesundheit gab. Der Körper reagiert direkt: Einsamkeit hat Auswirkungen auf das Immunsystem, man leidet häufiger unter Entzündungen, Impfungen wirken schlechter und das Risiko für Demenz und Herz-Kreislauferkrankungen ist viel höher. Dazu kommen Depression, Angststörungen und eine erhöhte Suizidalität.
Der Diakonie Eine Welt Sozialdienst hat sich mit dem Projekt „GemEinsam“ zur Aufgabe gemacht, uns alle für dieses Gefühl zu sensibilisieren, auf die Gefahren und Risken hinzuweisen und vor allem auch zu enttabuisieren. „Einsamkeit kann jeden von uns treffen“, erzählt Edith Gelbmann.
Gemeinsam gegen Einsamkeit
Das Projekt "GemEinsam" ist eine Antwort auf ein drängendes gesellschaftliches Phänomen: Einsamkeit. Viele Menschen sind davon betroffen, nur wenige sprechen darüber. Unsere diversen Plauder- und Begegnungsformate sollen das Miteinander fördern und dabei helfen, wieder mehr und einfacher ins Gespräch zu kommen. Bei gemeinsamen Treffen geht um das Aufzeigen von den positiven Dingen, die Stärkung des Gemeinschaftssinnes, Vernetzungsarbeit, Enttabuisierung und Entstigmatisierung von Einsamkeit und auch konkrete Wissensvermittlung in Form von Infoveranstaltungen und Workshops.
„GemEinsam“ wird gefördert vom Fond Gesundes Österreich, Sozialministerium, Gesundheit Österreich. Die Angebote werden aktuell im Wiener Gemeindebezirk Simmering (vor allem im Bezirksteil Kaiserebersdorf) umgesetzt und sind kostenlos sowie offen für alle, die sich Begegnung wünschen und soziale Kontakte suchen.