Mehr als ein Notquartier
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Mehr als ein Notquartier
„Für mich war es undenkbar, dass wir ein leeres Haus haben, wenn es gleichzeitig so viele Menschen gibt, die keinen Platz haben“, sagt Schwester Petronilla. „Es war uns dann so wichtig, den Menschen einen Raum zur Verfügung zu stellen, dass wir sogar das Vorhaben, ein Heim für Studenten einzurichten, verschoben haben.“ Schwester Petronilla steht im Gang des Hauses St. Josef in der Wiener Apostelgasse. Früher waren in diesem Gebäudeteil des Klosters die Einzelzimmer der Schwestern untergebracht. Mittlerweile leben nur sieben Schwestern in dem hofförmigen Gebäude. Das Haus St. Josef steht seit einem Jahr leer.
Für mich war es undenkbar, dass wir ein leeres Haus haben, wenn es gleichzeitig so viele Menschen gibt, die keinen Platz haben.
Vom Studentenheim zum Flüchtlingshaus
Im Zuge einer Kooperation zwischen Diakonie Flüchtlingsdienst, der Kongregation der Schulschwestern vom 3.Orden des heiligen Franziskus und dem Malteser Hospitaldienst Austria (MHDA) wird nun ein Teil des Klostergebäudes im 3. Wiener Gemeindebezirk zur Unterkunft für Geflüchtete umfunktioniert. Eigentlich hätten die Wohneinheiten, die auf mehrere Stockwerke verteilt sind, ab Herbst als Studierendenheim genutzt werden sollen, aber der Ukraine-Krieg hat die Pläne durchkreuzt.
„Wir konnten hier ein paar sehr feine, geschützte Unterkünfte und ein einzigartiges Angebot schaffen“, sagt Pamela Haderlein, Fachbereichsleiterin beim Diakonie Flüchtlingsdienst. Bei den Quartieren handelt es sich um mehrere Privatzimmer auf vier Etagen. Badezimmer, Arbeitszimmer, Gemeinschaftsküche und Aufenthaltsräume stehen allen zur Verfügung. Außerdem wurde auf jedem Stockwerk ein Kinderspielzimmer eingerichtet. Einige Zimmer wurden schon bezogen, 30 geflüchtete Frauen und Kinder sollen insgesamt hier einquartiert werden, vorerst. Nötigenfalls könne man auch auf 50 Personen aufstocken.
Aufgenommen werden Personen, die bereits in der Grundversorgung sind. Sie werden vom Fonds Soziales Wien (FSW) zugewiesen. Und an der Stelle kam auch der Diakonie Flüchtlingsdienst bei der Kooperation ins Spiel. Er fungiert als Partner des FSW im Bereich der Grundversorgung. Das heißt, das Haus St. Josef – und damit den Wohnraum – stellen die Schulschwestern zur Verfügung, der FSW weist Frauen und Kinder zu und betreut werden die Bewohnner:innen dann im Rahmen des Mobil Betreuten Wohnens in Grundversorgung (MoBeWo) vom Diakonie Flüchtlingsdienst. Mitinitiiert wurde das Projekt vom Malteser Hospitaldienst.
Neuanfang mit umfassender Betreuung
„Ich kann den Krieg nicht verhindern, ich kann das Leid der hunderttausenden Menschen nicht verhindern, aber ich kann sagen, da oben sind ein paar fröhliche Gesichter“, sagt Peter Mensdorff-Pouilly vom Malteser Hospitaldienst im ausladenden und sonnigen Innenhof des Klosters. Der selbständige Architekt hat sich im Vorfeld um die Organisation des Projekts gekümmert, um Sicherheitsfragen des Gebäudes, so wie Notausgänge, ein Brandschutzkonzept, die Hausordnung. Nun, da die ersten Bewohner:innen da sind, besucht er alle paar Tage das Gelände, um nach dem Rechten zu sehen und kümmert sich um das problemlose Zusammenleben und die Gebäudeinstandhaltung vor Ort. „Es ist ein überschaubarer Bereich, den wir als Einzelaktion hier schaffen, aber wenn sich jeder so etwas herauspicken würde, dann wäre das Problem zumindest für einen Teil der Menschen gelöst“, sagt er.
„Das Projekt ist ideal für Mütter, die durch die angrenzenden Schulen und den Kindergarten sofort eine Betreuung für den Nachwuchs haben“, so Haderlein. Mit acht Wohneinheiten ist das Haus St. Josef bei weitem nicht das größte Projekte, das der Diakonie Flüchtlingsdienst betreibt, aber nachdem der im Kloster ansässige kirchliche Schulverein nebenan einen Kindergarten, eine Volksschule, eine Neue Mittelschule und eine Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe betreibt, dürfen die geflüchteten Kinder auch gleich alle Bildungseinrichtungen besuchen. Das verschafft den Müttern Zeit für Behördengänge, für Sprachkurse, Weiterbildungen – den Neuanfang. „Wir freuen uns wirklich sehr, dieses Angebot im Pool der Mobil Betreuten Wohneinheiten zu haben, die Zusammenarbeit in dieser Trio-Konstellation funktioniert sehr gut“, so Haderlein.
Anfangs war geplant, das Haus St.Josef nur für einige Wochen als Notunterkunft zur Verfügung zu stellen, doch es hat sich schnell zu einem längerfristigen Projekt entwickelt, „um den Menschen, die herkommen, auch wirklich eine Basis bieten zu können“, sagt Mensdorff-Pouilly vom MHDA. Auch für Pamela Haderlein vom Diakonie Flüchtlingsdienst ist das ein wesentliches Merkmal des Kooperationsprojekts. „Die Menschen, die vor dem Krieg fliehen, brauchen hier in Österreich Stabilität und ein Gefühl von Normalität, um ankommen zu können. Das Haus St. Josef ist in dem Sinn auf jeden Fall viel mehr als eine Notunterkunft.“