Selbstbestimmt leben mit Demenz

  • Story
14. Januar 2022
2016 erhielt Erwin Brandstätter die Diagnose Parkinson und Demenz. Seit Herbst letzten Jahres findet das Ehepaar Brandstätter Unterstützung in der Tagesbetreuung Wels. Wir haben mit Theresia Brandstätter über ihre wertvolle Rolle als pflegende Angehörige, über die Krankheit ihres Mannes und die Wichtigkeit der Tagesbetreuung gesprochen.
Frau Brandstätter, wie wurde die Demenzerkrankung Ihres Mannes in Ihrem Alltag sichtbar?

Theresia Brandstätter: Es gab erste Anzeichen. Dennoch trifft es einen hart. Man weiß ja nicht, was auf einen zukommt. Zunächst waren die Probleme nur beim Gehen, dann nutzten wir Stöcke und jetzt den Rollator. Die Demenz kam dann noch dazu. Bis März 2020 führte mein Mann noch ein sehr selbstständiges Leben. Dann waren wir im Urlaub, lagen am Pool und mein Mann wollte ins Zimmer, um auf die Toilette zu gehen. Als er nicht wieder kam, machte ich mir Sorgen. Als ich nachsehen ging, wusste ich warum: er fand den Weg zurück zum Pool nicht mehr. 

Wie haben Sei die Betreuung zu Hause neben Ihrem Berufsleben eingeteilt?

Brandstätter: Während ich zur Arbeit ging, war die Pflege zu Hause sehr herausfordernd. Mein Mann Mein Mann war in der ersten Zeit noch selbstständig, später war eine Freundin bei meinem Mann. Entweder sie blieb bei ihm oder sie fuhren zu ihr nach Hause. Meine Freundin hatte keine Berührungsängste und konnte sehr gut mit der Situation umgehen, das hat mich enorm entlastet. Während der Pandemie wurde ich freigestellt oder arbeitete im Home Office. Doch dann kam der Punkt, an dem ich es allein nicht mehr schaffte. Unterstützung fanden wir in der Tagesbetreuung Wels. Bereits mein erster Anruf, mein erster Kontakt war für mich besonders. Meine Sorgen wurden ernst genommen, meine Bedenken zerstreut. Mir wurde Hoffnung gemacht. 

Die Tagesbetreuung schenkt meinem Mann Routine und einen neuen Sozialraum und mir einige Stunden Freizeit, in denen ich mich auf mich konzentrieren kann und meine Batterien wieder auflade.

Theresia Brandstätter, pflegende Angehörige
Wie wurden Sie auf das Angebot der Tagesbetreuung aufmerksam?

Brandstätter: Ich habe sehr viel recherchiert und herumtelefoniert. Kein anderer Träger war so mitfühlend und hilfsbereit wie die Diakonie. Die Verantwortlichen in der Tagesbetreuung haben vom ersten Anruf an meine Sorgen und Ängste ernst genommen. Alles wurde uns genauestens erklärt. Ich fühlte und fühle mich verstanden und mein Mann ist gerne in der Einrichtung. Ich weiß, dass mein Mann sehr gut aufgehoben ist an diesen Tagen, wenn er die Tagesbetreuung besucht. Und er sitzt seine Zeit nicht nur ab, sondern wird gefördert. Es wird gebastelt, ein:e Musikpädagog:in kommt und vieles mehr.

Ihr Mann besucht die Tagesbetreuung, wie wichtig ist diese für Sie beide?

Seit Herbst 2020 ist mein Mann zwei Tage die Woche in der Tagesbetreuung der Diakonie. Das ist eine enorme Unterstützung, da auch die Krankheit weiter fortschreitet. Erwin braucht viel Förderung, man muss sich immer mit ihm beschäftigen. Vor Ort erhält er professionelle Förderung und Betreuung, die Mitarbeiter:innen haben ein tolles Gespür für Menschen. Ich kann in dieser Zeit, in der mein Mann in der Einrichtung ist, auf mich achten, durchschnaufen und meine Batterien aufladen, da ich auch gesundheitlich angeschlagen bin und nachts eine Dialyse zu Hause mache. Ich möchte dieses Angebot der Tagesbetreuung nicht mehr missen in unserem Alltag. Auch mein Mann besucht diese gerne, hat dort seine Routine und auch Freunde.

Wie verbringt Ihr Mann den Tag in der Tagesbetreuung?

Brandstätter: Er wird morgens um 08:15 Uhr von zu Hause mit dem Taxi abgeholt, dann wird in der Einrichtung gemeinsam gefrühstückt. Eine Musikpädagogin singt sehr viel mit der Gruppe, lernt den Tagesgästen neue Lieder, das unterstützt die geistigen Fähigkeiten und die Erinnerungen. Auch wird Bewegung und Turnen in den Alltag integriert, was auch wichtig ist, dass man in Bewegung bleibt, da mein Mann an der Parkinsonerkrankung durch Muskelsteife leidet. Zu Weihnachten oder zu Ostern wurden kleine Geschenke gebastelt. Auch werden Spiele gespielt. Mein Mann ist ein leidenschaftlicher Kartenspieler. Oftmals hängt er der Betreuerin ein "Bummerl" an. Dann am Nachmittag, um 16 Uhr, kommt er mit dem Taxi wieder heim.

Wie verbringen Sie die Zeit zu Hause?

Brandstätter: Wir haben unsere Rituale wie zum Beispiel samstags, da gehen wir vormittags in Bad Hall ins Kaffeehaus frühstücken und dann gemeinsam einkaufen. Wenn ich koche, hilft mein Mann beim Gemüse schneiden. Auch spielen wir viel, vor allem "Mensch-ärgere-dich-nicht" oder auch andere Karten- und Geschicklichkeitsspiele. Auch haben wir Tablettendosierung zu einem Ritual gemacht, das immer mittwochs stattfindet. Sonntags gehen wir auch gerne gemütlich essen ins Wirtshaus. Ich finde es wichtig, dass wir uns nicht zu Hause einsperren, sondern am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Wir bekommen auch Unterstützung aus dem Familien- und Freundeskreis. Dann unternehmen wir gemeinsam Ausflüge oder fahren in den Urlaub, dann ist noch jemand dabei. Dies ist auch für mich wichtig, damit ich Gesprächspartner habe, da mein Mann nicht viel spricht.

Solange es uns möglich ist, wollen wir zu Hause, in unseren vier Wänden, gemeinsam selbstbestimmt leben. Mit der Entlastung durch die Tagesbetreuung und durch die Unterstützung von Familie und Freunden meistern wir unseren Alltag sehr gut.

Theresia Brandstätter