„Sie haben das Gefühl, dass man auf sie vergessen hat.“

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19. März 2020
Im 's Häferl der Diakonie bekommt weiterhin jeder eine Mahlzeit.

Normalerweise würde Elisabeth Guttmann jetzt zwischen der kleinen Küche im 's Häferl und dem warmen Esszimmer hin- und herlaufen. Mit vollen Suppentellern und heißen Tassen.

Stattdessen steht sie am Vorplatz und teilt Essenspakete aus – Weckerl von Supermärkten, die nicht mehr verkauft werden können. Hartgekochte Eier, Knacker, Obst.

"Abstand!", sagt Elisabeth laut, immer wieder. "Sackerl? Knacker! Apfel! Nächster!" Der Notbetrieb läuft erst seit kurzem, aber die Handgriffe sitzen.

Mehrsprachige Schilder mit Corona-Hygienevorschriften hängen an der Hausmauer. Die Gäste müssen einen Sicherheitsabstand einhalten. Zwischen ihnen und Elisabeth versperrt ein Tisch den Weg.

"I hab mein Sackerl mit!", sagt der nächste Besucher. Elisabeth hat dazu aufgerufen, dass jeder, der kann, sein eigenes mitbringt. Verpackungsmaterial ist teuer.

Knacker, Apfel, "Abstand!", nächster.

"Und morgen, habts ihr da zu?"

"Nein", sagt Elisabeth

"Und übermorgen?"

"Sind wir auch da!"

Normalerweise würde Elisabeth jetzt Schulterklopfen. Stattdessen trägt sie Schutzhandschuhe.

Der nächste Gast will plaudern, nickt aber verständnisvoll, als Elisabeth in bittet, Platz für die Frau hinter ihm zu machen. Beim Weggehen schmunzelt er. „An Abstand wollen ma, ned an Virus!“

"Danke, dass ihr heute da seid", sagt die Frau leise.

Um 12:30 Uhr sind für ein paar Minuten keine Gäste da. "Halb Eins. Aber es fühlt sich an wie später Nachmittag", sagt Elisabeth. Dann geht sie zum kleinen Lagerraum und sieht nach, was für morgen noch gekauft werden muss.

"Brauchst zum Abendessen auch was?", fragt Elisabeth den nächsten Gast.

"Ja, gern. Zur Zeit hab ich gar nichts mehr", sagt Michael. "Weißt du, was schlimm ist?"

"Was denn?"

"Sie denken an die Wirtschaft. Sie denken an die Firmen. Aber keiner denkt an die vielen Obdachlosen!"

Normalerweise würde Elisabeth jetzt zuhören, widersprechen, scherzen. Stattdessen lächelt sie, und drückt Michael Fertiggerichte in die Hände. Tratschen geht momentan nicht. "Wir werden wieder tratschen. Wenn‘s vorbei ist."

Viele, die heute zum Häferl kommen, sind nachdenklich und machen sich Sorgen. "Und haben das Gefühl, dass man auf sie vergessen hat", sagt Elisabeth.

Knacker, Apfel, Abstand. Die letzten beiden Gäste machen sich mit ihren Sackerln auf den Weg. Aber Wohin? Wie soll man daheimbleiben, wenn man kein Daheim hat? Und was, wenn jemand aus ihrem Team irgendwann krank wird? Das sind Fragen, über die Elisabeth nicht zu viel nachdenken will. Sie denkt von Sackerl zu Sackerl, von Gast zu Gast, von Tag zu Tag.

"Passt auf euch auf", sagt Elisabeth laut. "Und haltet Abstand."

Morgen wird es Nudelsalat, Brot und Obst geben.