Teuerung und hohe Energiekosten stürzen immer mehr Menschen in Armut

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07. September 2022
Wie kann die Sozialberatungsstelle der Stadtdiakonie Wien helfen?

Ein Gespräch mit dem Team der Sozialberatung gibt Auskunft über die aktuelle Situation, in der sich ihre Klient:innen wiederfinden.

Wer kommt zu Ihnen in die Sozialberatung? Wer sucht Ihre Hilfe?

In die Sozialberatungsstelle der Stadt-Diakonie Wien kommen Menschen, die akut ihre Rechnungen nicht bezahlen können, und keinen Ausweg mehr wissen. Die meisten kommen mit dem dezitierten Wunsch nach direkter finanzieller Hilfe. Der Besuch einer solchen Einrichtung ist für diese Menschen sehr schambehaftet.

Ist die Anzahl der Hilfesuchenden in der letzten Zeit angestiegen?

Ja, ganz klar. Wir haben jetzt weit mehr Zulauf als in den letzten Jahren. Und wir merken, dass jetzt auch Menschen finanzielle Hilfe brauchen, die mit ihrem Einkommen bis vor kurzem noch ganz normal durchgekommen sind. Sie bemerken Teuerungen jetzt jeden Tag, und es geht sich einfach nicht mehr aus.

Wie könnt ihr in der aktuellen Situation denMenschen am besten helfen?

Wir bemerken, dass die meisten unserer Klient:innen versuchen, die für diese Fälle vorgesehenen amtlichen Hilfen zu bekommen. Die meisten brauchen aber Hilfe z.B. beim Ausfüllen von Anträgen für behördliche Unterstützungen. Und das ist auch klar. Denn seit Corona sind unsere Behörden sehr stark vom persönlichen Klientenkontakt abgekommen. Die Hilfen müssen online beantragt werden, und daran scheitern Menschen mit geringer Schulbildung und / oder nicht deutscher Muttersprache sehr oft.

Und wir finden selbst, dass diese bürokratischen Abläufe leider extrem komplex sind. Sie müssten so kompliziert nicht sein. Und es beschämt die Menschen, die dann das Gefühl haben, dass sie „nicht einmal den Antrag selber ausfüllen können“.

Ein weiteres Problem ist auch, dass seit Corona alle behördlichen Fristen viel länger geworden sind. Man wartet also auf eine Zusagen so lang, bis sich das Ausgangsproblem verdoppelt hat.

Haben Sie ein Beispiel?

Ein Klient, dessen Miete zuletzt angehoben wurde, hat Mietrückstände. Er versucht mit meiner Hilfe seit ACHT Monaten, die sogenannte „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ der MA 40 zugesprochen zu bekommen. Das ist viel zu lang. Die Mietrückstände werden immer mehr, und der Klient kommt mit seinem Einkommen einfach nicht mehr durch.

Die aktuelle Situation macht uns als Beratende auch oft recht hilflos, wenn wir sehen, dass Familien, die gut wirtschaften, einfach nicht mehr zurecht kommen.

Claudia Wettel, Sozialberaterin
Helfen Sie den Menschen auch mit finanziellen Mitteln?

Wir haben seit Corona ein geringes Budget für direkte finanzielle Hilfen. Dabei bekommen wir auch Einblick in die finanzielle Lage der Betroffenen. Denn wenn sich Menschen wegen dieser finanziellen Direkthilfen an uns wenden,  sehen wir oft, dass sich ihre Einnahmen und ihre lebensnotwendigen Ausgaben sich einfach in keinem der 12 Monate decken. Und dass sich ihr ja bereits finanziell sehr eingeschränktes Leben einfach nicht ausgehen kann.

Sind die aktuell zugesagten Einmalzahlungen der Regierung eine Hilfe für die Betroffenen?

Wir sehen diese Einmal-Hilfen problematisch. Z.B. ist es so, wenn jemand seinen Energiebonus nicht für die Energierechnung, sondern für eine andere akute Ausgabe verwendet, wird man von bestimmten sozialen Leistungen (wie eben der genannten „Hilfe in besonderen Lebenslagen“) ausgeschlossen. Das wissen die Menschen aber nicht. Wenn sie also endlich so ein Ein-Mal-Geld bekommen, und dieses für eine lange aufgeschobene Anschaffung ausgeben, können sie in andere problematische Situation kommen.

Was fänden Sie besonders wichtig, dass sich ändert?

Was wir für besonders wichtig halten, wäre z.B., dass jede Schule in Österreich eine fixe Schul-Sozialarbeiterin hat. Schul-Sozialarbeit wirkt extrem gut präventiv. Sie ist gut, einerseits für den Kinderschutz, andererseits auch weil sie als Vertrauenspersonen helfen können, beim Stellen von Anträgen z:b für Schüler:innen-Beihilfen. Das würden den Familien helfen. Und man sieht ja in Österreich, dass diese Töpfe oft nicht ausgeschöpft werden, weil die Schüler:innen und ihre Eltern nicht wissen, dass es solche Beihilfen gibt.

Leider ist es so, dass man Prävention nicht sieht, und deshalb wird die Investition in flächendeckende Schul-Sozialarbeit wohl immer wieder hinausgeschoben.

Danke für das Gespräch!

Ihre Ansprechperson zu dieser Story

Dr.in Roberta Rastl-Kircher
Pressesprecherin & Medienarbeit