Wenn Kinder nicht mehr aus dem Zimmer gehen

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14. Februar 2022
Die Pandemie hat dazu geführt, dass sich manche Kinder und Jugendliche immer mehr zurückziehen.

Aus Angst sperren sich Jugendliche in ihr Zimmer ein und fühlen sich einsam und hilflos. So wie der 15-jährige Paul. Seine Mutter Ulli schildert am Telefon des Familiencoachings: „Paul geht schon seit Wochen nicht mehr zur Schule und am liebsten auch gar nicht mehr aus seinem Zimmer. Ich habe schon so viel probiert. Aber ich weiß einfach nicht mehr, was ich tun soll. Dabei sollte er nach diesem Schuljahr ja einen Lehrplatz finden.“ Sie wünscht sich, dass jemand Außenstehender mit Paul spricht und ihm Hilfe anbietet.

Im Familiencoaching gibt Marisa Zerza im Gespräch bei der telefonischen Sofortberatung zuerst einmal Entlastung für die Mutter. Hier kann Ulli erzählen. Es ist jemand da, der Zeit hat und es kommen nicht gleich Ratschläge. Der Druck von Seiten der Schule und anderer Eltern, den sie selbst verspürt, hat dazu geführt, dass sie kaum mehr entspannte Zeiten mit ihrem Sohn erleben kann.

„Es geht immer gleich um das Thema Schule und dann verschwindet Paul wieder,“ sagt sie. Sie erinnert sich, wie gern sie als Familie zusammen bei Tisch gesessen sind und  gegessen haben. Sie nimmt sich vor, wieder Zeiten zu gestalten, in denen es nicht um das Thema Schule geht. Und ja, natürlich kann sie wieder anrufen.

Für Paul ist es eine größere Hürde, die Telefonnummer des Familiencoachings zu wählen. Aber er überwindet sich. Da ist jemand, der zuhört und keinen Druck macht. Er muss dazu nicht aus seinem Zimmer gehen. Und auflegen kann er auch jederzeit. Auf die Frage, welche Ziele er hat, meint Paul, er möchte wieder außer Haus gehen. Aber ihm fehle der Plan: „Wenn ich daran denke, entsteht ein wirr-warr in meinem Kopf und alles wird schwarz.“

Marisa fragt nach, ob Paul früher schon einmal vor etwas Angst hatte und es dann aber geschafft hat. Ihm fällt ein, dass er zum Sportclub gehen wollte um Fußball zu spielen. Da hat er sich zuerst auch nicht getraut. Dann hat ihn ein Freund begleitet. Langsam bekommt er eine Idee, wie es gehen könnte. Er nimmt sich vor, einkaufen zu gehen. Marisa macht mit Paul einen Plan. 

Die Not in den Familien ist groß

„Die Not in den Familien ist groß. Das ist auch daran zu merken, dass die Eltern ein großes Bedürfnis haben, einfach einmal alles erzählen zu können. Sie haben schon Vieles probiert. Wir fragen ganz gezielt nach: Was funktioniert? Was läuft gut? Was kann das Kind gut? Wie sind sie früher mit schwierigen Situationen umgegangen? Es ist wichtig, den Blick auf das Gelingen zu richten, um einen Weg aus der Starre und dem Druck zu finden. In jeder Familie gibt es etwas, das gut läuft,“ beschreibt Marisa.

Das Familiencoaching ermutigt zu kleinen Schritten und unterstützt in Alltagssituationen. Es ersetzt keine Therapie und keinen Arztbesuch. Aber durch die Entlastung der telefonischen Sofortberatung kommt wieder Bewegung ins Familiensystem und das wirkt sich positiv auf die Entwicklung der Kinder aus.

Beim nächsten Telefonat klingt Ullis Stimme leichter und sie spricht nicht mehr so atemlos. „Paul war einkaufen. Er hat sich zwar dann mit seiner Lieblingsschokolade gleich wieder in sein Zimmer verzogen. Aber zum Abendessen ist er wieder gekommen.“

„Wenn einkaufen geht, dann geht vielleicht was anderes auch,“ meint Paul vorsichtig zuversichtlich bei seinem nächsten Telefonat. Und er meint zu Marisa: „Machen wir wieder einen Plan?“

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