Wo kommen wir hin, wenn wir "nur pflegen"

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29. September 2022
Zu Besuch in den Senioren-Hausgemeinschaften der Diakonie im 3. Bezirk. Menschen im Alter hier zu begleiten, bedeutet ihnen ein Leben im Alter zu ermöglichen, das für Alltagsnormalität, Selbstbestimmung und Individualität steht.

Drei Hausgemeinschaften - ein Gefühl von Zuhause

Heute besuchen wir die Senioren-Hausgemeinschaften der Diakonie in Wien Erdberg. Kommt man in eine der drei Hausgemeinschaften, hat man sofort ein Gefühl von Alltagsnormalität und Zuhause. Es sind nicht nur die persönlich eingerichteten Bewohner:innenzimmer, sondern auch der gemütliche Wohn-Essbereich, der zum gemeinsamen Wohnen einlädt. Er bildet das Zentrum einer Hausgemeinschaft und gibt einem schnell das Gefühl, zuhause zu sein.

Wir sind heute nicht zufällig hier. Ein Fernsehteam des ORF, konkret der Sonntag-Mittag Sendung „Orientierung“, hat sich angekündigt. Der Anlass: Die Pflegereform. Im Mittelpunkt der Fernseh-Geschichte stehen die Mitarbeiter:innen mit ihren unterschiedlichen Berufsbildern in der Pflege: Patrick Engelmann ist einer von ihnen. Er ist betroffen von der Pflegereform, und auch wieder nicht. „In der Pflegereform bin ich nicht drin“, erzählt er dem ORF-Redakteur enttäuscht. Patrick Engelmann ist ausgebildeter Heimhelfer. Zu diesem Beruf kam er durch eine völlige Umorientierung. „Ich bin aufgestanden und hab mir gesagt: "Es muss sich etwas ändern. Ich habe im Remarketing von Computer-Hardware gearbeitet – ein Job, der mir keine Freude bereitet hat. Ich habe nur für das Geld gearbeitet, auf Dauer macht einen das fertig.“ Patrick Engelmann hatte immer einen Draht zu Menschen und genau das hat er aufgegriffen. „Ich habe mir angeschaut, was es gibt. Und bin dann auf den Bereich der Palliativ-Pflege gekommen. Und auf das Thema Demenz. All das hat mich interessiert und zugleich auch fasziniert.“

Die Rolle des Alltagsmanagers

Mit der Ausbildung zur Heimhilfe kam Engelmann seinem Ziel näher. Und dann ging alles sehr schnell, das Praktikum absolvierte der Quereinsteiger in den Hausgemeinschaften Erdbergstraße. Und bevor er seine Ausbildung noch abschloss, hatte Patrick Engelmann seinen Job schon in der Tasche. Ende 2019 startete er in den Hausgemeinschaften – als sogenannter Alltagsmanager. Damit kommt Patrick Engelmann eine wichtige Rolle zu – im Konzept der Hausgemeinschaften geht es vor allem darum, die Bewohner:innen dabei zu begleiten, einen normalen, schönen Alltag zu erleben. Dazu gehören Mitkochen und ein gutes Essen, ein Spaziergang oder Balkon-Gespräch, und oft ist es gut, einfach nur da zu sein.

Ich will die Bewohner:innen motivieren, sich zu bewegen. Ein bisschen Aktivität in den Alltag einzubauen. Bei einer gemeinsamen Fahrt zum Heurigen und in die Prater Hauptallee wird viel erzählt und man wächst zusammen.

Patrick Engelmann, Alltagsmanager Hausgemeinschaften Erdbergstraße in Wien

Pflege funktioniert im Team

Heute treffen wir Patrick in der Küche – er hat soeben die Lebensmittel vom Keller geholt. Es gibt Tomatensuppe und Apfelstrudel. Die ersten Koch-Vorbereitungen beginnen. Dazwischen jedoch soll Patrick ein Interview geben. Worum geht´s?

Seine Berufsgruppe der „Heimhelfer:innen“ wurde in den aktuellen Reformschritten (ursprünglich) nicht bedacht – die angedachten Gehaltszuschläge für „die Pflegeberufe“ sollten für ihn nicht gelten. Das stößt auf Unverständnis, nicht nur bei allen sozialen Trägern in der Pflege und Betreuung in Österreich, sondern auch an diesem Tag selbst im Zuge der Eindrücke in den Hausgemeinschaften. Denn im Rahmen der Gespräche und Interviews mit den Kolleg:innen der Diplomierten Gesundheits- und Krankenpflege und Pflegeassistenz wird klar, dass Pflege und Begleitung jedenfalls eine Teamaufgabe ist.

Wir sind eins, jeder hilft dem anderen. Wenn ich in der Küche bin, werde ich unterstützt. Und umgekehrt unterstütze ich in der Pflege, wo es mir möglich ist – zum Beispiel in der Mobilisierung und Körperpflege. Wir haben hier ein richtig gutes Teamverständnis.

Patrick Engelmann, Alltagsmanager Hausgemeinschaften Erdbergstraße in Wien

Patrick hat seine Berufung gefunden

Es wird Mittag, es gibt eine Dreh-Pause. Die Bewohner:innen essen, wir wollen nicht stören. Patrick serviert das Essen. Danach geht’s in eine Pause auch für ihn, wir plaudern. Auf die Frage, wie er die Hausgemeinschaften beschreiben würde: „Es ist ruhig und familiär. Es gibt eine gute Basis zwischen den Bewohner:innen und einem selbst. Wenn ich am Morgen komme, freue ich mich auf sie. Jeder Tag ist anders. Das ist das Schöne. Es ist nie gleich – nie.“  Ob sein Berufswechsel die richtige Entscheidung war? „Ja, zu 100%, ich möchte nie wieder etwas anderes tun. Ich fühle mich berufen, ich habe einen guten Draht zu den Leuten. Ich hatte früher das Bild, man geht nur für das Geld arbeiten. Hier ist es nicht so. Es ist nicht im Fokus. Man kriegt es für etwas, das man gern tut.“

Dieser Drehtag in Erdberg hat uns beeindruckt und Spuren hinterlassen. Was bleibt, ist ein starkes Gefühl von: Wir sind ein Team und nur so geht’s!

Apropos Geld: Die eingebrachten Stellungnahmen der NGOs zum Gesetzesentwurf der Pflegereform führten zu einer Korrektur der angedachten Gehaltszuschläge. Es werden nun alle Berufsgruppen in der Pflege bedacht, so auch die Berufsgruppe der Heimhilfe. Und das ist wichtig. Denn die Herausforderungen im Alltag steigen - zu wenig Nachwuchs in den Pflegeberufen, steigender Pflege und Betreuungsbedarf, nicht zuletzt weil viele Bewohner:innen mit Demenz leben. Hinzu kommen natürlich auch die Corona-Unsicherheiten.

Zwei Diakonie-Mitarbeiterinnen.

Pflege ist Teamarbeit

In der Begleitung von Menschen im Alter achten wir auf maximale Bedürfnisorientierung und Selbstbestimmung.

Und das ist am besten im Team möglich. Weil Pflege mehr ist als nur warm, satt und sauber. Ob Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:in, Pflegeassistenz oder Heimhelfer:in, sie alle spielen zusammen, um die Pflege und Betreuung zu leisten, die es braucht.

Medizinische Bedürfnisse, die Gestaltung des Tagesablaufs, Zeit für Gespräche und auch einfach nur da sein, machen den Pflegealltag heute aus. #PflegeIstMehr

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