Die Klimakrise als soziales Risiko

  • Kommentar
31. August 2022
Wie wir die Schwächsten stützen und stärken - und in soziale Angebote und Klimaschutz gleichzeitig investieren.

Die Wetterprognose ist heiß und stürmisch. Das Tief der sozialen Krise nach Corona und mit der Teuerung bedroht viele Frauen, Männer und Kinder im Land. Das Hoch der Klimaerhitzung nagt an unseren globalen Lebensgrundlagen. Die Zeit brennt.

Die Wohnblocks verfügen über keine Zentralheizungen, die Bewohner:innen sind in der Beschaffung des Heizmaterials völlig auf sich allein gestellt. In diesen Wohnungen in Salzburgs Bezirken Taxham und Liefering findet man neben Holzöfen auch noch uralte Ölöfen, die enorm viel Heizöl verbrauchen. Gabriele Huber vom Diakoniewerk hat recherchiert. Das Problem der Beschaffung stellt eine unüberwindbare Hürde da. Es gibt im Stadtgebiet nur mehr eine einzige Tankstelle mit einer Heizölzapfsäule. Auch die Lagerung der Ölkanister ist in den Kellern und Wohnungen verboten, was eine große Herausforderung darstellt. Und Probleme mit der Lagerung gibt es auch bei jenen, die mit Holz heizen. Muss man diese Brennstoffe in kleinen Mengen kaufen, bezahlt man horrende Summen an Heizkosten im Jahr. Viele versuchen mit einfachen Radiatoren dazu zu heizen, wenn es extrem kalt wird. Das verursacht wiederum Stromkostennachzahlungen oder eine höhere Jahreseinstufung. „Den Austausch der Heizungssysteme werden die Bewohner:innen dieser Wohnbauten nicht selbst leisten können“, so Gabriele Huber. 

Die Klimakrise trifft nicht alle gleich. 766 Hitzetote gab es in Österreich letztes Jahr – die meisten waren ältere Menschen und lebten in Vierteln mit geringem Einkommen. Umweltfolgen belasten ärmere Haushalte wesentlich öfter. Feuchte, schimmlige Wohnungen betreffen Kinder und ihre Gesundheit in der Mindestsicherung. Lärm und Luftverschmutzung sind in Städten wesentlich höher dort, wo Leute mit weniger Geld wohnen. In den USA werden Mülldeponien oder Industrieanlagen verdächtig oft in Bezirken von Ärmeren errichtet, meist leben dort auch mehr Schwarze als Weiße. Und Heizkosten im kalten Winter samt teurem Wohnen sind für einkommensschwächere Personen überproportional hoch.

Reiche tragen doppelt so viel zur Klimakrise bei, wie die Mitte in Österreich

Die Klimakrise verursachen auch nicht alle gleich. Reiche belasten die Umwelt deutlich mehr als Arme. Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verbrauchen viermal mehr an Ressourcen, Energie und CO2 als die ärmsten zehn Prozent. Und sie tragen doppelt so viel zur Klimakrise bei wie die Mitte in Österreich.

Die drohende Klimakatastrophe trifft also Arme ärger als Reiche, gleichzeitig aber verursachen die Reichsten im Land die meisten Treibhausgase. Beide Tatsachen machen klar, dass Klimaschutz nur dann erfolgreich sein wird, wenn er einkommensschwächere Haushalte entlastet – und den Betroffenen nicht weitere Bürden auferlegt.

Klima und Soziales zusammen denken

Klima und Soziales zusammenzudenken, heißt mit öffentlicher Infrastruktur und mit den Instrumenten des Sozialstaats auszugleichen. Bisher wurde mit Wundpflastern herumgedoktert, wo eine große Operation notwendig wäre.

Der Aufbau der ersten Sozialversicherungssysteme Ende der 1880er Jahre setzte den Beginn hin zu einer aktiven Sozialstaatspolitik. Die ersten Risken, die versucht wurden abzusichern, waren Krankheit und Alter, später dann auch Arbeitslosigkeit. In den 1980er und 90er Jahren traten neue soziale Risken hervor: Pflege, Behinderungen und Kinderversorgung, die in Gesellschaftsverträge gegossen wurden: Pflegegeld wurde eingeführt, Kinderbetreuung ausgebaut.

Die neuen Risken unserer Zeit absichern

Jetzt sind wir wieder mit neuen Risken konfrontiert: Prekarisierung der Arbeit, Digitalisierung und eben die Klimakrise. Der Klimawandel ist ein Risiko und eine Bedrohung ähnlich wie Krankheit oder Pflege, die wir auch sozialpolitisch in Angriff nehmen müssen. Da braucht es keine Gutscheinsysteme oder Almosenförderungen; bei einem gebrochenen Bein will ich keinen Gipsgutschein, sondern eine solidarische Krankenversicherung, jedenfalls eine universelle Leistung, die -egal ob arm oder reich- mich gut versorgt. Der Ökobonus, der an alle Haushalte geht, wäre so eine sozialstaatliche Antwort auf die Risken der Klimakrise, genauso wie das Pflegegeld eine Antwort auf die Risken des Alters ist oder die Krankenversicherung eine Antwort auf die Bedrohung durch einen Unfall darstellt.

Warum also nicht den Ökobonus als soziale Leistung verstehen, mit der der Sozialstaat ein für uns alle neues und bedrohliches Lebensrisiko absichert - und zwar grundrechtsorientiert, solidarisch und nachhaltig

Autor:innen

Mag. Martin Schenk
Direktion & Geschäftsführung
Grundlagen & Advocacy
Stv. Direktor | Sozialexperte Armut, Gesundheit, Kinder- und Jugendhilfe