Teuerung: Was hilft Menschen mit wenig Einkommen am besten?

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01. Juni 2022
Je geringer die Haushaltseinkommen, desto höher der Anteil von Wohnen, Energie und Lebensmittel am Haushaltsbudget. Genau diese drei Posten sind von der Inflation am stärksten betroffen.

Ein Sturm - viele Boote

Je geringer die Haushaltseinkommen, desto höher der Anteil von Wohnen, Energie und Lebensmittel am Haushaltsbudget. Genau diese drei Posten sind von der Inflation am stärksten betroffen. „Wir sitzen alle im selben Boot“, heißt es mit Corona und jetzt auch in der Teuerung. Wir sitzen alle im selben Sturm, würde ich sagen, aber in unterschiedlichen Booten: da gibt es robuste Schiffe, kleine Nussschalen, starke Yachten, schmale Ruderboote.

Was kann man jetzt sofort tun, um den Einkommensschwächsten zu helfen? Was kommt den Haushalten in der „unteren Mitte“ und „ganz unten“ am stärksten zu Gute? Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sind seit zwanzig Jahren nicht der Inflation angepasst worden. Die Betroffenen sind gezwungen, mit immer weniger auszukommen. Damit wir uns mit der Familienbeihilfe genauso viel kaufen könnten wie im Jahr 2000, müsste sie heute um rund 30 Prozent höher sein. Das Arbeitslosengeld ist in Österreich relativ niedrig.

Die Regierung könnte auch die Ausgleichszulage um 70 Euro zu erhöhen. Durch die Teuerung von rund 7% ist sie nur noch 960.- Euro wert. Das ist eine Entwertung um 70 Euro. Die Ausgleichszulage ist eine Unterstützungsleistung des Bundes, die Pensionsbezieher:innen ein Existenzminimum gewährleisten soll. Diese definiert das unterste soziale Netz. Deswegen hilft sie auch Einkommensschwachen in der Mindestsicherungs- und Sozialhilfe.

Familienbeihilfe, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe sind seit zwanzig Jahren nicht der Inflation angepasst worden. Die Betroffenen sind gezwungen, mit immer weniger auszukommen.

Martin Schenk, Diakonie-Sozialexperte

Leistbares Wohnen

Was macht das Leben so teuer? Eines der Hauptprobleme ist unleistbares Wohnen. Die Wohnkosten steigen seit Jahren massiv an, besonders in den größeren Städten. Investitionen in den sozialen Wohnbau wären sinnvoll, da gibt es in vielen Teilen Österreichs noch großen Aufholbedarf. Auch die Flächenwidmung muss mithelfen, günstigen Boden für sozialen und gemeinnützigen Wohnbau zur Verfügung zu stellen. Diese Maßnahmen wirken allerdings mittelfristig.

Schneller wirksam wäre eine gute Sozialhilfe. Aus den Bundesländern, in denen schon länger die gekürzte Sozialhilfe gilt, ereilen uns Hilferufe von Betroffenen und Sozialberater:innen. Der Abzug der Wohnbeihilfe und die Kürzungen beim Lebensunterhalt führen zu massiven Problemen. Frauen, Männer und Kinder haben zu wenig zum Wohnen und zu wenig zum Leben. Um ihre Miete zu zahlen, müssen die Betroffenen das aufbrauchen, was eigentlich für den notwendigsten Lebensunterhalt vorgesehen wäre. Hungern für die Miete. Hier ist eine Reform dringend nötig.

Eine gute Mindestsicherung hilft uns allen, in einem sozialen und sicheren Land zu leben. Sie sollte ein Mindestmaß an Selbstbestimmung sichern und helfen, Not abzuwenden – nicht das Leben noch schwerer machen.

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Sozialer Klimabonus

Den Belastungen ärmerer Haushalte könnte weiters mit einem einkommensabhängigen Ökobonus begegnet werden. Im Rahmen der CO2-Steuer ist ein solches Instrument als "Klimabonus" bereits angelegt. Der regionale Aspekt des Klimabonus sollte durch eine soziale Komponente ergänzt werden.

Ein sozial gestaffelter Ökobonus würde möglichst unbürokratisch, österreichweit und barrierefrei die am meist betroffenen Haushalte erreichen. Und nicht zuletzt wäre ein Energie- und Klimahilfsfonds hilfreich, der jene Haushalte unterstützt, die Probleme haben, ihre Energierechnungen zu bezahlen. Außerdem könnte dieser Fonds Support geben, wenn man etwa seine Heizung tauschen möchte oder eine bessere Wärmedämmung braucht.

Ein Sturm, viele Boote. Wenn der Sturm kommt, brauchen diejenigen am meisten Schutz, die schon bisher wenig Halt hatten.

Autor:innen

Mag. Martin Schenk
Direktion & Geschäftsführung
Grundlagen & Advocacy
Stv. Direktor | Sozialexperte Armut, Gesundheit, Kinder- und Jugendhilfe