Trauernde brauchen Antworten

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30. Oktober 2022
Die Trauerbegleitung der Hospizbewegung Diakonie nimmt sich Zeit für Menschen, die eine geliebte Person verloren haben. Eine wertvolle Stütze aus der großen inneren Leere. Doris Scheiring, zertifizierte ehrenamtliche Trauerbegleiterin, erzählt aus ihrem Alltag.

Wer einen geliebten Menschen verloren hat, kennt das Gefühl. Die endlose Leere, die einen nicht verlassen will. Der Schmerz, die Verzweiflung und die Hoffnungslosigkeit, die dem täglichen Handeln alle Kraft rauben. „Wir sind für jene da, die einen Trauerfall hinter sich und den Trauerweg noch vor sich haben“, erzählt Doris Scheiring von der Trauerbegleitung der Hospizbewegung Diakonie.

Gelebte Trauer – ein Prozess der Heilung

„Es gibt so viele Menschen, die in der Trauer allein sind, die vielleicht auch ihr Gegenüber nicht mit ihrer Trauer überfordern möchten. Unsere Aufgabe ist es, zuzuhören und Antworten darauf zu geben, wie man mit der Trauer am besten umgeht und sie als neue Realität anerkennt“, sagt Scheiring. „Wird die Trauer nicht verarbeitet und ist nach einem langen Zeitraum immer noch da, wirkt sie lebensbehindernd. Man fährt dann nicht mehr auf Urlaub, weil der verstorbene Partner, der immer mit dabei war, fehlt“, so die Trauerbegleiterin. „Bei der Trauerarbeit geht es darum, diese Leere wieder aufzufüllen. Den betroffenen Menschen dabei anzuleiten, sein oder ihr Leben als Individuum wieder neu zu gestalten. Keine Gefühle zu unterdrücken. Gelebte Trauer ist ein Prozess der Heilung – dafür muss man das, was man verloren hat, einen Platz in seinem Herzen geben, um wieder in sein eigenes Leben zu finden.“

Erinnerungen und Traurigkeit zulassen

Manchen helfe es, mit der verstorbenen Person zu sprechen, so Scheiring. „Ich habe meinen Vater gut „verortet“. Ich verbinde mit ihm den Geruch des Holzes, wie ich es von unseren gemeinsamen Waldspaziergängen in Erinnerung habe oder ein bestimmtes Vogelgezwitscher. Es sind schöne Erinnerungen. Natürlich vermisse ich ihn manchmal, weil ich ihn nicht mehr drücken kann. Dieses Gefühl wird ein Leben lang bleiben. Mein Vater ist nicht mehr am Leben und das darf auch sein, wenn man die Traurigkeit gut verarbeitet, hat“, erzählt Scheiring aus ihrer eigenen Erfahrung. Die Trauerbegleitung selbst sei etwas Individuelles: „Da kann ein einziges Gespräch reichen, aber es kann auch viele Monate lang dauern. Wichtig ist, dass mit der Zeit die Abstände, an denen man sich trifft, immer länger werden“, sagt Scheiring

Das Wichtigste ist: da sein und zuhören.

Doris Scheiring

Mit Wut und Schmerz umgehen

Das kostenlose Angebot der Trauerbegleitung in der Hospizbewegung Diakonie gibt es seit 2019. „Während des Corona-Lockdowns haben wir gemerkt, dass sich Menschen von ihren sterbenskranken Angehörigen im Krankenhaus nicht mehr verabschieden konnten. Sowas wirkt bei den Betroffenen ganz stark nach“, sagt Scheiring. „Ich habe zu dieser Zeit einen jungen Mann begleitet, der damals nicht zu seinem im Sterben liegenden Vater ins Krankenhaus durfte. Seine Wut und sein Schmerz waren riesengroß. Wir haben Gespräche mit ihm geführt, wie man mit dieser Wut umgehen kann. So hat er einen Brief mit all seinen belastenden Gefühlen an die Ärzt:innen der Abteilung geschrieben, ohne diesen jemals abgeschickt zu haben. Allein das Schreiben hat ihm schon gutgetan. Wir ehrenamtliche Trauerbegleiter:innen tun vieles, was Klarheit schafft – denn Trauernde brauchen Antworten. Aber das Wichtigste ist DA SEIN und ZUHÖREN.“

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