Wenn Zeit das Wertvollste ist, das bleibt

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01. November 2024
Vor rund acht Jahren wird Claudia Maier mit der Schockdiagnose Krebs konfrontiert. Ihre Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit führt sie schließlich zur Ausbildung für ehrenamtliche Hospizbegleiter:innen der Diakonie de La Tour. Heute schenkt sie ihre Zeit Menschen, die das Ende ihres Lebens vor Augen haben.

„Mich hat nicht der Krebs geschreckt, sondern das Sterben. Damit habe ich mich vorher nie beschäftigt“, sagt Claudia Maier rückblickend. Diese Zeit habe ihr aber auch die Augen geöffnet, sagt sie. „Ich weiß, es klingt befremdlich, aber es würde mir heute nicht so gut gehen, wenn es diese Diagnose nicht gegeben hätte. Das war ein riesengroßes Stopp-Zeichen in meinem Leben, eine Warnung, kürzer zu treten. Das hat mich dazu gebracht hat, viele Dinge anders anzugehen.“ Der ausschlaggebende Moment war dann ein Gespräch mit einer Freundin, die ebenfalls an Krebs erkrankt und ohne Chance auf Heilung austherapiert war. „Ich habe aus meiner Hilflosigkeit heraus zu ihr gesagt ´Das wird schon wieder´ – und mich im selben Moment so über diese gedankenlose Aussage  geärgert. Sie wusste, dass sie sterben wird, und ich wusste es auch. Da habe ich mir geschworen, so etwas passiert mir nicht mehr und habe mich dann für den Hospizkurs angemeldet.“ 

Ausbildung zur Hospizbegleiterin

Im Herbst 2023 schließlich beginnt sie die Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleiterin bei der Diakonie de La Tour in Klagenfurt. Der Lehrgang dauert neun Monate, inklusive Praktikum. „Rückblickend war das die beste Ausbildung, die ich in meinem Leben je gemacht habe. Sie hat meinen Zugang zum Thema Tod und Sterben sehr verändert. Wir Menschen haben gern die Kontrolle über alles, und wir konzentrieren uns gerne auf das Schöne und das Materielle, da passt das Thema Tod nicht hinein. Dabei ist der Tod meiner Meinung nach nicht das Gegenteil vom Leben, er ist ein Teil davon. Durch die vielen unterschiedlichen Module, die wir absolviert haben, bin ich in das Thema hineingewachsen. Ich weiß noch, wie ich mir am Anfang gedacht habe, ich kann das niemals machen – und je mehr du dann lernst, je mehr du erfährst, desto leichter wird es“, fasst sie die Erfahrungen der vergangenen Monate zusammen. „Ich möchte aber noch so viel mehr dazu lernen, so viel mehr wissen, deshalb habe ich mich jetzt auch für eine weitere Fortbildung zum Thema Trauerbegleitung entschieden“. 

Wie hat ihre Familie auf die Entscheidung reagiert, sich als ehrenamtliche Hospizbegleiterin und Krebspatientin bewusst dem Thema Sterben und Tod zu stellen? „Da sind alle eher zurückhaltend. Eigentlich so, wie es in unserer Gesellschaft ja auch ist, keiner möchte sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Aber ausreden wollte es mir auch keiner, meine Entscheidung wird akzeptiert“ erzählt die Mutter zweier erwachsener Kinder. 

Einfach da sein für Menschen

Als ehrenamtliche Hospizbegleiterin ist sie heute vor allem auf der Palliativstation jenes Krankenhauses beschäftigt, in dem sie selbst behandelt wurde. Zwei Mal pro Woche besucht sie dort je einen Vormittag die Patient:innen. „Es ist anders als im Altersheim, dort begleitet man oft Menschen, die mit weit über 80 Jahren ein langes Leben gelebt haben. Auf der Palliativstation sind es oft ganz andere Schicksale, auch junger Menschen, das geht einem dann natürlich oft schon anders nahe." Ihr sei es wichtig, einfach für die Menschen da zu sein. Ihre Hand zu halten, wenn sie das möchten, mit ihnen zu reden, oft einfach nur neben ihnen zu sitzen.  Es gibt aber auch Momente zum gemeinsamen Lachen, fügt sie hinzu. „Wenn jemand ein bestimmtes Joghurt möchte, dass es auf dieser Station nicht gibt, dann werde ich eben dieses eine Joghurt suchen und auch finden“, schmunzelt sie. „Immerhin heißt Hospice auch Gastfreundschaft.“ Ihre Kraft schöpft sie aus Spaziergängen in der Natur – und aus den Begegnungen bei ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit. 

 „Manchmal sagen mir die Menschen, dass sie es nicht aushalten können, die traurigen Gesichter ihrer Angehörigen zu sehen, die natürlich mitleiden. Dass man oft eine Fassade aufrecht erhalten muss für die anderen, das verstehe ich aus eigener Erfahrung mit meiner Krankheit so gut. Deshalb ist die Tätigkeit von Ehrenamtlichen so wichtig. Zu ihnen haben die Patienten keine emotionale Bindung, bei ihnen können sie einfach selbst ihrer Trauer Platz geben.“

Claudia Maier, ehrenamtliche Hospizbegleiterin

„Menschen auf dem letzten Abschnitt ihrer Lebensreise sind fokussiert auf das Wesentliche. Da geht es um die Angehörigen, vielleicht um nicht erledigte Dinge, um Glauben – nicht darum, welches Auto vor der Tür steht. Das tut mir einfach auch gut, weil es ehrlich ist. Es ist einfach ein Privileg, diese Tätigkeit machen zu dürfen.“

Claudia Maier, ehrenamtliche Hospizbegleiterin

Ausbildung zur ehrenamtlichen Hospizbegleitung

In der Hospizbegleitung geht es darum, schwerstkranke Menschen in der letzten Lebensphase sowie deren An- und Zugehörige bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten. Der Hospiz-Grundkurs richtet sich an Menschen, die an einer ehrenamtlichen Mitarbeit als Hospizbegleiter:in interessiert sind, oder sich beruflich und privat mit Menschen in der letzten Lebensphase befassen. 
Absolvent:innen der Ausbildung sind qualifiziert, als ehrenamtliche:r Hospizbegleiter:in Menschen in ihrer letzten Lebensphase sowie deren Angehörige zu begleiten. Der Kurs eignet sich aber auch für Menschen, die zu Hause pflegebedürftige Angehörige betreuen oder sich mit dem Thema Tod und Trauer auseinandersetzen wollen. 

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