Auch in Österreich gibt es Menschen, die nicht krankenversichert sind. Sorgen wir mit Ambulanzen für den Notfall und den richtigen sozialen Maßnahmen dafür, dass niemand in der Not alleine sein muss.

Wie viele Menschen sind in Österreich ohne Krankenversicherung?

Rund 27.000 Menschen sind in Österreich nicht krankenversichert (Stichtag Dezember 2015). Obwohl der Krankenversicherungsschutz in Österreich relativ gut ist, fallen immer wieder Menschen aus dem Schutzbereich der Versicherung. Die Gründe dafür sind vielfältig. Gemeinsam ist ihnen allen, dass die betroffenen Menschen ein geringes Einkommen haben.

Da ist Frau K. in prekärer Beschäftigung, da ist Herr G. in einer schweren psychischen Krise, da sind Hilfesuchende wie Frau L., die ihren Mindestsicherungsanspruch aus Scham nicht einlösen, da ist Frau M., die nach längerem Auslandsaufenthalt zurückkehrt.

Martin Schenk, Diakonie-Sozialexperte

Babys ohne Krankenversicherung: Wie AmberMed hilft

Video ansehen

Wer ist ohne Krankenversicherung?

Frau K. hat zwar einen Job, davon leben kann sie aber eigentlich nicht. Das prekäre Einkommen ist so gering ist, dass sie entscheiden muss: Zahle ich die Krankenversicherung oder die Miete oder die Hefte zum Schulanfang für die Kinder? Als sie überraschend schwer erkrankt, überfallen sie die Behandlungskosten.  

Da geht es um prekäre Jobs wie Praktika, Scheinselbstständigkeit oder unangemeldete Beschäftigungen. Rechtlich könnten die Betroffenen ihre vorenthaltene Versicherung einklagen. In der Praxis trauen sich jedoch jüngere Betroffene häufig nicht, ihre Rechte durchzusetzen, weil sie später einmal längerfristig im betreffenden Unternehmen arbeiten wollen.  

Oder es handelt sich z.B. um eine kleine Branche, in der sich eine potenzielle Beschwerde bei allen für eine spätere Anstellung in Frage kommenden Unternehmen schnell herumspricht. Von älteren Betroffenen wird häufig aus Angst vor Konsequenzen des Arbeitgebers eine nicht versicherte Beschäftigung gegenüber gar keiner Beschäftigung präferiert. 

Und wer zugewandert ist, fürchtet den Verlust der Aufenthaltserlaubnis, wenn er:sie seine:ihre Rechte gegenüber dem:der Arbeitgeber:in einklagt. 

Herr G. hat einen depressiven Schub. In solchen Phasen psychischer Krise versagen seine Fähigkeiten zur Selbstorganisation. Er versäumt alle Termine. Er ist in Gefahr, seine Wohnung zu verlieren und nicht in der Lage, seinen Alltag zu bestreiten. Die psychosozialen Stützpunkte in Gemeinden und Bezirken sind unzureichend.  

Frau L. beantragt keine Mindestsicherung. Wie viele andere. Die Gründe sind: Scham, Schikanen am Sozialamt, Angst vor Armutsverfestigung, die stigmatisierende Berichterstattung in viel gelesenen Medien. Wer als Mittellose:r aber ohne Mindestsicherung lebt, lebt auch ohne Krankenversicherung. 

Frau M. kommt von einem längeren Auslandsaufenthalt zurück. Sie hat aktuell keinen Versicherungsschutz mehr in Österreich. Vereinzelt sind auch Menschen von Nichtversicherung betroffen, die nach längerer Zeit aus dem Ausland zurückkehren und in Österreich erst wieder Fuß fassen müssen. Es bedarf häufig einer längeren Klärung, ob z.B. ein Anspruch auf eine AMS- oder Mindestsicherungsleistung besteht. 

Die richtigen sozialen Maßnahmen haben starke Wirkung

Wenn die richtigen Interventionen gesetzt werden, kann man viel bewirken. Mit der Einführung der Grundversorgung für Asylwerber:innen 2004, der Ausweitung der Schutzfrist nach Beendigung eines Dienstverhältnisses 2006 und dem Einbezug aller Mindestsicherungsbezieher:innen in die Krankenversicherung 2010 wurde die Zahl der Nichtversicherten massiv reduziert. Die Stärken des Sozialstaats müssen wir nützen, seine Schwächen hingegen korrigieren. Und nicht umgekehrt: Die Stärken des sozialen Netzes schwächen und die Schwächen verstärken.

Analyse der nicht-krankenversichteren Personen in Österreich

Fuchs, Michael; Hollan, Katarina; Schenk, Martin (2018): Analyse der nicht-krankenversicherten Personen in Österreich

Kommentar zur Studie

Kommentar zur Studie „"Analyse der nicht-krankenversicherten Personen in Österreich“ von Martin Schenk

Wer früh hilft, hilft doppelt

Die Behandlungskosten einer kleinen Verletzung, etwa einer Verbrennung am Finger, kann bei Nichtbehandlung um den Faktor 7,3 explodieren, also mehr als siebenmal so hohe Kosten verursachen. 

Wer früh hilft, hilft doppelt. Es kann zu größeren Problemen kommen, wenn nicht rechtzeitig therapeutisch gehandelt wird. Folgewirkungen und Folgekosten sind hoch.    

Familien aus dem unteren Einkommenssegment gehen erst bei extremer Not zu Arzt oder Ärztin. Diese:r muss die Krankheit möglichst rasch beseitigen, damit der Körper wieder funktioniert. Der Körper wird zur Arbeitsmaschine zur Bewältigung des stressbelasteten und prekären Alltags.

Eine Ärztin untersucht ein Kind das von seiner Mutter gehalten wird.

AmberMed: Ambulanz für Menschen ohne Krankenversicherung.

AmberMed ermöglicht Menschen ohne Krankenversicherung niederschwelligen und dolmetschunterstützten Zugang zu medizinischer Versorgung. Ebenso bietet AmberMed Medikamentenhilfe und soziale Beratung.

Mehr erfahren
alt text

Hilfe in Sozialen Krisen – Angebote der Diakonie

  • Armut und soziale Krisen

Ich spende für

Bitte wählen Sie einen Betrag aus.